Selbstvertrauen lernen (Teil 5) - wie man mit Misserfolgen umgeht



Heute soll es mal wieder um eins der Lieblingsthemen unserer Leserinnen und Leser gehen: Selbstvertrauen! In den Teilen 1, 2, 3 und 4 zu diesem Thema hast du ja schon einiges erfahren, was dir hoffentlich hilft, ein bisschen freundlicher mit dir selbst umzugehen und dadurch mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. In diesem Teil möchte ich dir nun ein Konzept vorstellen, das von den Psychologen Peterson, Buchanan und Seligman entwickelt wurde und das möglicherweise ebenfalls eine Menge damit zu tun hat, wenn dein Selbstwertgefühl nicht gerade ausgeprägt ist: den so genannten "pessimistischen Attributionsstil".

Grundlage des Konzepts ist die Attributionstheorie von Fritz Heider, der schon vor über 30 Jahren feststellte, dass Menschen sich das Auftreten bestimmter Ereignisse in ihrem Leben - z. B. Erfolge oder Misserfolge, aber auch Notsituationen und andere negative Ereignisse und Konflikte - auf ganz unterschiedliche Weise erklären (sie also auf unterschiedliche Ursachen attribuieren). Ein typisches Beispiel: Dein bester Freund und du seid beide bei der gleichen Matheklausur durchgefallen. Während dein Freund sich beim Blick auf die Note denkt: "Kein Wunder, die Matheaufgaben waren ja auch extra fies!", denkst du vielleicht: "Kein Wunder, ich bin halt zu blöd!" Gleiche Situation, gleiches Ergebnis - aber völlig unterschiedliche Erklärungsansätze und damit, wie du sicher schon ahnst, auch völlig unterschiedliche Auswirkungen auf den Selbstwert von euch beiden! Dein Freund hat sein Durchfallen nämlich external attribuiert: er hat die besondere Schwere der Aufgaben dafür verantwortlich gemacht, also einen Faktor außerhalb seiner selbst als Erklärung gewählt. Du dagegen hast dich für eine internale Attribution entschieden: deine Intelligenz in Sachen Mathe nämlich.

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Das ist - wenn es um Misserfolge geht - logischerweise nicht sehr selbstwertdienlich. Aber damit nicht genug. Du hast dich nämlich auch gleich noch für eine zweite Attributionsdimension entschieden, die deinem genickten Ego ebenfalls eins überbrät: stabil! Dein Intelligenzquotient ist etwas, was sich über die Dauer der Zeit hinweg nicht besonders stark verändern wird - einmal zu blöd, immer zu blöd heißt das im Klartext. Zusätzlich zu der deprimierenden Tatsache, dass du niemand anderem als dir die Schuld für die verpatzte Klausur zuschiebst (beispielsweise dem Lehrer, der sich die extra-fiesen Aufgaben ausgedacht hat), versicherst du dir mit dieser Erklärung also selber auch gleich noch, dass es sich bei diesem Misserfolg keineswegs um ein einmaliges bedauerliches Missgeschick gehandelt hat, sondern dass das ja angesichts deiner grundsätzlichen intellektuellen Unterbelichtung so kommen musste und auch immer wieder so kommen wird. Dein Freund, dessen Selbstwert schon bei der ersten Dimension ein paar Streicheleinheiten einsacken konnte, tröstet sich dagegen auch hier wieder mit einer günstigeren Attributionsform: variabel nämlich. Dass die Aufgaben bei dieser Klausur extra fies waren, muss ja nicht heißen, dass sie bei der nächsten wieder so sein werden. Vielleicht war der Lehrer nur diesmal besonders blöd drauf, oder vielleicht bekommt ihr nächstes Jahr einen anderen Lehrer, der viel netter ist und nie solche fiesen Aufgaben stellt. So oder so - die Aussichten sind gut, neues Spiel, neues Glück!

Und auch im Hinblick auf die dritte für den Selbstwert wichtige Erklärungsdimension hat dein Freund die Sache besser hingekriegt als du: er hat nämlich spezifisch attribuiert, d. h. er erklärt sich sein Durchfallen mit einer Ursache, die nur in dieser einen speziellen Situation wirksam wird. Diese schweren Matheaufgaben gab es nur in dieser Klausur, Punkt. Nicht in der nächsten, und auf die anderen Fächer hat das Ganze schon gleich mal gar keine Auswirkungen. Der Schaden ist also ausgesprochen eng begrenzt. Du dagegen hast dich für die ungünstige Erkärungsvariante entschieden, indem du global attribuiert hast; d. h. du hast eine Ursache für dein Durchfallen gewählt, die sich in allen möglichen anderen Bereichen deines Lebens auch noch negativ auswirken kann - schließlich braucht man Intelligenz nicht nur für Matheaufgaben, sondern für so ziemlich die meisten Dinge im Leben. Du hast dir also mit deiner Erklärung gleich dreimal eine Breitseite mitten in deinen (wahrscheinlich ohnehin nicht sehr stabilen) Selbstwert gefeuert:
  • internale Erklärung des Misserfolgs: Ich bin daran schuld, äußere Ereignisse oder andere Menschen haben nichts damit zu tun.

  • stabile Erklärung des Misserfolgs: Der Misserfolg geht auf eine Ursache zurück, die unveränderlich ist.

  • globale Erklärung des Misserfolgs: Der Misserfolg geht auf eine Ursache zurück, die sich nicht nur in dieser Situation, sondern in vielen/allen weiteren negativ auswirken kann (und wird).

Währenddessen hat dein Freund seinen Selbstwert pfleglich behandelt:
  • externale Erklärung des Misserfolgs: Äußere Umstände oder andere Personen sind (maßgeblich) an diesem Misserfolg beteiligt.

  • variable Erklärung des Misserfolgs: Der Misserfolg geht auf eine zeitlich begrenzte und/oder veränderbare Ursache zurück.

  • spezifische Erklärung des Misserfolgs: Der Misserfolg geht auf eine Ursache zurück, die sich nur in dieser Situation auswirken konnte.

Peterson, Buchanan und Seligman fanden nun heraus, dass ein Attributionsstil wie ich ihn in dem Beispiel dir unterstellt habe (ich hoffe doch, dass es im wahren Leben bei dir nicht ganz so schlimm ist!!), die Entstehung von Depressionen begünstigt. Sie nennen diesen Stil daher den "pessimistischen Attributionsstil". Im Gegensatz dazu sind Menschen, die eher zum zweiten Erklärungsschema für Ereignisse neigen, optimistischer und gehen zufriedener durchs Leben - klar, denn sie gehen mit sich selbst ja auch netter um und prügeln in einer Situation, in der sie ohnehin mit einer Frustration fertig werden müssen, nicht noch zusätzlich innerlich auf sich selbst ein. Wer einen Misserfolg meistens seinen mangelnden Fähigkeiten zuschreibt, ohne äußere Umstände und Personen mit einzubeziehen, provoziert natürlich ein Gefühl von Inkompetenz und Resignation in sich selbst - was wiederum die Entstehung von negativen Emotionen und sogar Depressionen fördert. Und falsch liegt er mit dem Ganzen zweifellos auch, denn natürlich spielen andere Dinge immer auch mit eine Rolle.

Umgekehrt sieht die Sache übrigens aus, wenn wir über das Thema Erfolg reden. Unglücklicherweise neigen die meisten Menschen mit dem selbstwertschädigenden Attributionsstil nämlich leider dazu, ihre Erfolge und positiven Erlebnisse ganz genau andersherum zu erklären als sie das mit ihren Misserfolgen zu tun pflegen. Wenn es denn doch einmal unversehens eine Eins in der Matheklausur geworden ist, dann lag das ganz bestimmt daran, dass ...
  • "... der Lehrer es halt ganz einfach gemacht hat ..." (externale Erklärung - hat nichts mit deinen persönlichen Fähigkeiten zu tun!)

  • "... weil er diesmal gute Laune beim Erstellen der Klausur hatte ..." (variable Erklärung - morgen hat er wieder schlechte!)

  • "... und zwar ganz ausnahmsweise!" (spezifische Erklärung - das gab's nur einmal, das kommt nie wieder .... )

Merkst du, wie tückisch die Kombination dieser Attributionsstile ist? Einerseits lässt sie ihren Benutzern keine Chance, sich bei einem Misserfolg selbst zu trösten oder auch nur die Hoffnung zu hegen, dass es beim nächsten Mal anders laufen könnte, andererseits erlaubt sie gemeinerweise selbst bei einem Erfolg nicht, dass der Betreffende sich so richtig auf die Schulter klopft und sich am Ergebnis freut. War ja doch alles nur Zufall ... hatte eigentlich nichts mit mir zu tun .... :-( Es ist ziemlich einfach, sich vorzustellen, welchen Effekt diese Denkweise auf den Selbstwert hat, oder?

Okay, Skeptiker werden jetzt einwenden, dass es nicht immer günstig ist, die Schuld für ein Versagen außerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs zu suchen. Das will ich gern zugeben. Wenn man nicht genügend gelernt hat, am Abend vor der Klausur unbedingt eine Sauftour machen musste und von zehn Mathestunden fünf gefehlt hat - dann ist es bestimmt eine gute Idee, sich selbst die Verantwortung für das Durchfallen zuzuschreiben und daran etwas zu ändern. Das ist aber auch die einzige Ausnahme, die ich gelten lassen kann. Und die Erfahrung zeigt leider, dass Menschen mit schwach ausgeprägtem Selbstwert in der Regel dazu neigen, ihren Anteil am Zustandekommen eines Misserfolgs völlig zu überschätzen. Das zeigt sich besonders dann, wenn es gar nicht um den Leistungsbereich geht, sondern um andere negative Ereignisse wie beispielsweise Unfälle oder Krankheiten. Auch dann fühlen sich solche Menschen meist zu 100% für ihr Unglück selbst verantwortlich und lassen komplett außer acht, dass an dem Geschehen noch andere Umstände und Personen beteiligt waren. Der Extremfall? "Warum bin ich bloß gestern aus dem Haus gegangen - wäre ich daheim geblieben, hätte mich der Autofahrer nicht auf dem Gehweg vor der Haustür anfahren können!"

Ich will hoffen, dass es bei dir nicht so weit kommt mit dem negativen Attributionsstil - aber wenn du das Gefühl hast, dein Selbstwert könnte ein bisschen Aufpolieren ganz gut vertragen, dann achte doch mal in nächster Zeit ein wenig darauf, wie du dir selber die kleinen und großen positiven und negativen Ereignisse in deinem Leben so erklärst. Diesen "inneren Dialog" führen wir mit uns selbst nämlich wie immer sehr schnell und meist ganz unbewusst, und so kann der pessimistische Attributionsstil leise, still und heimlich seine destruktive Kraft entfalten, oft ohne dass wir es merken. Wenn du feststellst, dass du zu den ungünstigen Erklärungsstilen neigst, die ich dir heute aufgelistet habe, dann nimm dich mal versuchsweise ein wenig selbst am Zügel und schiebe jeder "negativen" Erklärung zumindest mal eine "positive" hinterher. Auch wenn's anstrengend ist und sich ungewohnt anfühlt - es funktioniert und dein Selbstwert wird es dir bestimmt danken!

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