Meine Welt + deine Welt = unsere Welt?!



In diesem Beitrag geht es heute um Wahrnehmungsprozesse und um die Frage, wie objektiv diese sind. Anders (und mit den Worten Paul Watzlawicks) gefragt: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"

Vielleicht hast du schon einmal den Begriff "Konstruktivismus" in irgendeinem Zusammenhang gehört oder gelesen. Dabei handelt es sich um eine erkenntnistheoretische Position - berühmte Vertreter dieser Position sind z. B. Heinz von Foerster, Paul Watzlawick oder Humberto Maturana. Die zentrale Grundannahme dieser Denkrichtung lautet: Eine (objektive) Wirklichkeit als solche gibt es nicht. Wirklichkeit - oder das, was wir darunter verstehen - entsteht in unseren Köpfen, sie existiert nicht unabhängig von der menschlichen Wahrnehmung. Die Welt und alles, was wir über sie wissen, wird von unserem Gehirn auf der Basis unserer Sinneseindrücke und unserer Erfahrungen konstruiert (daher der Begriff Konstruktivismus). Diese Konstruktion aber ist immer subjektiv und niemals objektiv - denn sie hängt ja immer von derjenigen Person ab, die da wahrnimmt und beobachtet. Was wir wahrnehmen, ist im Sinne dieser Theorie also nicht "die Welt" (im Sinne der objektiv existierenden und für alle Lebewesen und immer genau gleichen Welt), sondern unsere Interpretation der Welt. Menschen können sich zwar über ihre Kommunikation auf eine Interpretation der Welt als Ganzes oder in Teilaspekten verständigen und damit auch einigen, dennoch bleibt die Wahrnehmung subjektabhängig. "Meine" Welt wird damit nie ganz deckungsgleich mit "deiner Welt" sein - denn ich bin ja nicht du.

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Diese erkenntnistheoretischen Überlegungen haben auch die Soziologie und Psychologie stark beeinflusst. In der Radikalität der Sichtweise unterscheiden sich hier zwar die Vertreter, letzten Endes läuft aber immer alles darauf hinaus, dass eine objektive Realität als solche von Menschen nicht erfasst werden kann. Das, was wir als Realität bezeichnen - und letzten Endes auch wir selbst als Person! - ist vielmehr ein Konstrukt unseres Geistes aus bestimmten Reizen (manche legen dabei mehr Wert auf Umweltreize und Erfahrungen, andere vor allem auf den sozialen Austausch der Menschen untereinander). Wir "basteln" uns quasi unsere Welt und uns selbst "zusammen" - einerseits jeder für sich, anderseits wir alle gemeinsam, indem wir uns über unsere Sicht der Welt austauschen.

Um die Sache für dich ein bisschen anschaulicher zu gestalten, findest du nachfolgend ein paar Beispiele aus der Wahrnehmungspsychologie, die dir zeigen sollen, was für ein komplizierter (ebenso störanfälliger wie kreativer!) Prozess deine Weltsicht eigentlich ist:
  • Was erkennst du z. B. auf dem ersten Bild? Eine alte oder eine junge Frau?

  • Und was auf dem zweiten? Einen (weißen) Becher, oder zwei (schwarze) Gesichter im Profil?

  • Vermutlich "siehst" du auf dem dritten Bild einen (weißen) Würfel. Streng genommen ist aber keiner da - aufgrund deiner Erfahrung mit geometrischen Formen ergänzt du das, was du siehst, automatisch zu einer geschlossenen Figur.

  • Der gleiche Effekt passiert auch auf dem vierten Bild: Scheinbar liegt hier ein (weißes) Quadrat auf vier (schwarzen) Kreisen. Wieder übernimmt deine Erfahrung das Ruder und konstruiert in deiner Wahrnehmung eine Form, die nicht "wirklich" vorhanden ist.

  • Sehr bekannt auch der Saxophonspieler - oder ist es doch eher ein Frauengesicht?








In allen Fällen entstehen in deinem Kopf Bilder, die mit der "objektiven" Reizvorlage zwar etwas zu tun haben, die aber mehr sind als das, was du tatsächlich vor Augen hast. Eine wesentliche Rolle dabei spielen deine persönliche Erfahrung, dein Wissen über die Welt, aber auch solche Dinge wie deine Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen. Alles das beeinflusst das, was du als "Realität" um dich herum erlebst. Unsere Wahrnehmung funktioniert eben nicht nur "bottom up" (von unseren Sinnesrezeptoren bis zu unserem bewussten Wahrnehmen), sondern auch "top down" (das Gehirn beeinflusst mit den in ihm gespeicherten Informationen den Prozess der Reizverarbeitung).

Du kannst einen ähnlichen Effekt auch auf taktiler Ebene leicht selbst ausprobieren, indem du den Drei-Schalen-Versuch von Weber zuhause nachstellst: Fülle eine Schale mit sehr kaltem Wasser, eine mit sehr heißem und eine dritte mit ungefähr zimmerwarmem Wasser. Jetzt tauche für ein bis zwei Minuten zuerst deine rechte Hand in die Schale mit dem ganz kalten und deine linke in die mit dem ganz heißen Wasser. Anschließend tauchst du beide Hände gleichzeitig in die mittlere Schale mit dem zimmerwarmen Wasser. Du wirst sehen - das gleiche Wasser fühlt sich an der linken Hand anders an als an der rechten! Und das alles nur, weil die beiden Hände vorher unterschiedliche "Erfahrungswerte" gesammelt haben ...

Natürlich beeinflusst unsere Wahrnehmung der Welt wiederum unser Verhalten in derselben. Ein einfaches Beispiel dafür: Stell dir zwei Personen vor, die beide dieselbe Straße entlang gehen. Ihnen kommt ein frei laufender Schäferhund entgegen. Die eine Person wurde in ihrer Kindheit von einem Hund gebissen und hat seither panische Angst vor allen Vierbeinern. Die andere besitzt selbst einen Labrador, hat Hunde immer schon gemocht und noch nie schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Logisch, dass dieselbe Situation auf beide Personen völlig anders wirkt, oder? Und entsprechend ist es auch einleuchtend, dass sie vermutlich ganz unterschiedlich auf sie reagieren werden. Wenn es ganz blöd läuft, dann beeinflusst wiederum ihre wahrscheinliche Reaktion das Verhalten des Hundes - nichts ist für Hunde ja bekanntlich so interessant wie eine "Beute", die vor ihnen wegläuft ...

Die wichtige Erkenntnis für dich aus all diesen Überlegungen und "Spielereien": Versuche doch mal für eine Weile, dich selbst in deiner Art, die Welt wahrzunehmen und auf sie zu reagieren, ein bisschen unter die Lupe zu nehmen. Kannst du ein paar von den "Filtern" erkennen, die deine ganz persönliche Sicht auf die Dinge und Menschen einfärben? Keine Frage - viele davon sind sicher sehr nützlich und hilfreich, und sie wirst du sicher an Ort und Stelle lassen wollen. Aber eventuell stösst du ja bei deinen Beobachtungen auch auf den einen oder anderen Filter, der eher hinderlich ist (vielleicht ein bisschen nebelig, Täuschungen erzeugend oder verzerrend)? Dann kannst du ja probieren, ob du ihn austauschen oder modifizieren kannst. Denn schließlich ist er ein Ergebnis deiner Lerngeschichte, kein unabänderliches Schicksal!

Abschließend zu diesem Kapitel noch ein ganz tolles Beispiel dafür, wie dein Gehirn arbeitet und zu was für konstruktivistischen Leistungen es fähig ist. Lies einfach drauf los - du wirst überrascht sein!

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