Was wäre gewesen, wenn ...?



Der Aufmacher der aktuellen „Psychologie Heute“ widmet sich einem interessanten Thema: dem kontrafaktischen Denken. Darunter versteht man alle diejenigen Gedanken, die sich um das drehen, was hätte sein können, wenn irgend etwas in der Vergangenheit anders gelaufen wäre, als es tatsächlich der Fall war: „Hätte ich diesen Job nicht angenommen, hätte ich meinen Mann nie kennen gelernt.“ - „Wäre ich nicht in diesen Zug eingestiegen, wäre ich nicht in diesen schrecklichen Unfall verwickelt worden.“

Das kennt vermutlich jeder von uns. Man trifft eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen - und im Nachhinein stellt sich heraus, dass sie einem eine Menge Ärger eingebracht hat. Oder umgekehrt: man blickt zurück und stellt fest, dass eine Winzigkeit, ein scheinbar unbedeutender Zufall dafür gesorgt hat, dass man ein Riesenglück hatte. Und unwillkürlich fragt man sich: Was wäre gewesen, wenn es anders gelaufen wäre? Ein Thema, das auch in Literatur und Film immer wieder gern aufgegriffen wird - von „Butterfly Effect“ bis hin zu Ken Grimwoods „Replay“.

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Der Artikel kommt zu dem Fazit: Reue, Zweifel und Bedauern sind hilfreiche und gute Gefühle. Sie sorgen dafür, dass wir aus Fehlern lernen, uns entwickeln und es in Zukunft besser machen können. Allerdings nur dann, wenn man das „optimale Maß“ des kontra-faktischen Denkens beherrscht, also nicht zu viel und nicht zu wenig über das nachgrübelt, was denn vielleicht hätte anders laufen können. Weise Worte. Eine Menge meiner Klienten können ein Lied davon singen, wie destruktiv Reue und Unzufriedenheit über vermeintlich verpasste Gelegenheiten oder falsche Entscheidungen sich über Monate und Jahre hinweg im menschlichen Leben auswirken können. Und sicherlich würden sie einem wichtigen Forschungsergebnis, das in dem Artikel vorgestellt wird, zustimmen: Wir bereuen häufiger und länger das, was wir in unserem Leben unterlassen haben, als das, was wir getan haben. Letzteres führt zwar oft schneller zu negativen Gefühlen, kann aber insgesamt von unserer Psyche meist besser verarbeitet werden und macht uns dann langfristig nicht mehr so zu schaffen. Es gelingt uns eher, es als Lernerfahrung zu verbuchen und damit ad acta zu legen. Dinge aber, die wir nicht getan haben, nagen oft sehr viel länger an uns und können dadurch wirklich Probleme verursachen. Am schlimmsten ist es natürlich, wenn diese Überlegungen Hand in Hand mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen einhergehen. „Hätte ich mich nur damals getraut und diese Zusatzausbildung angefangen, dann stünde ich heute beruflich viel besser da!“ - „Hätte ich nur früher etwas gesagt, dann wäre dies und jenes gar nicht erst passiert!“

Unter unseren Persönlichkeitstypen sind es vor allem die Realisten, die Spezialisten in solchen Gedankengängen sind. Aber auch die Idealisten neigen gar nicht so selten zu einem völlig übersteigerten Verantwortungsgefühl. Die Falle dabei: sehr oft sind diese Schuldgefühle gänzlich unrealistisch und unproduktiv, nämlich dann, wenn man sich nicht nur die Verantwortung für den (tatsächlichen) eigenen Beitrag am Geschehen zuschreibt, sondern gleich für alles. Externe Faktoren, der Einfluss anderer und äußere Umstände werden überhaupt nicht mehr ins Kalkül gezogen. Oft spielen auch überzogene Moral- und Wertvorstellungen eine Rolle, die man unbewusst mit sich herumschleppt. Und last but not least neigen wir dazu, unsere Handlungen im Rückblick sehr unfair zu beurteilen, nämlich aus der Vogelperspektive des „Danach“. Selbstverständlich ist man hinterher immer schlauer, wenn man die Folgen des Geschehens bereits kennt und mit in die Überlegungen einbeziehen kann. Und sehr oft verfügt man zum Zeitpunkt der Reue auch über Informationen, die das eigene Tun hätten beeinflussen können oder sollen - die man aber zum Zeitpunkt der Entscheidung einfach nicht hatte. Handeln aus der Froschperspektive - Beurteilen aus der Vogelperspektive, das ist eine ungerechte Vorgehensweise uns selbst gegenüber. Ich denke da gerade besonders an eine Klientin, deren Mann sich mit Schlaftabletten das Leben nahm. Wenige Wochen vor der Tat hatte ihre Mutter vom Arzt ein Beruhigungsmittel verordnet bekommen und den Schwiegersohn gebeten, ihr den Beipackzettel vorzulesen, weil sie ihre Brille nicht finden konnte. Die Klientin meinte nun im Nachhinein, sie hätte die „ungewöhnliche Bereitwilligkeit“, mit dem ihr Mann dieser Bitte nachgekommen sei, als Warnzeichen registrieren und erahnen müssen, dass er sich mit dem Gedanken an einen Suizid trug. Du kannst dir vermutlich vorstellen, was diese Überzeugung bei ihr anrichtete ...

Wenn du selbst bei dir oft feststellst, dass du dich lange mit Reue, Schuldgefühlen, Selbstzweifeln und Selbstanklagen herumschlägst, solltest du die jeweiligen Situationen vielleicht mal nach dem folgenden Schema analysieren:

1. Wer trug welche Verantwortung an dem Geschehen?
  • Wer war überhaupt alles beteiligt?
  • Wie waren die äußeren Umstände?
  • Was war dein Beitrag, wie konntest du das Geschehen beeinflussen?
  • Was haben der/die anderen zu dem Geschehen beigetragen?

2. Sind deine Ansprüche an dich und dein Verhalten realistisch?
  • Wenn dein bester Freund / deine beste Freund dir von einer solchen Situation berichten würde, was würdest du ihm / ihr antworten?
  • Beziehst du rückblickend in die Bewertung deines Verhaltens Informationen ein, die du zum Zeitpunkt des Geschehens nicht hattest?
  • Was wäre erforderlich gewesen, damit du dich in dieser Situation hättest anders verhalten können, als du es getan hast?
  • Was war die positive Absicht hinter deinem Verhalten?
  • Welche moralische Norm steckt hinter deinem Anspruch? Woher kommt sie - und bist du mit ihr eigentlich wirklich (immer) einverstanden?

3. Was brauchst du, um Frieden mit dem Geschehen schließen zu können?
  • Gibt es jemanden, bei dem du dich entschuldigen solltest / möchtest?
  • Gibt es etwas, was du tun kannst, um den Fehler wieder gut zu machen / zu mildern?
  • Kannst du dir ehrlich sagen: Ich habe mein Bestes getan - wenn ich es besser gewusst hätte, hätte ich es auch besser gemacht?
  • Kannst du etwas tun, um sicherzustellen, dass dir dasselbe nicht noch einmal passiert?

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