Können Liebesbeziehungen mit großem Altersunterschied funktionieren?



Gelegentlich bekomme ich ja Themenvorschläge von Lesern zugeschickt, entweder via Kommentarfunktion oder auch direkt per Email. Kürzlich schrieb mir zum Beispiel Diana: „Liebe Felicitas Heyne, ich würde gern mal einen Beitrag zum Thema großer Altersunterschied in Beziehungen lesen. Man hört da ja von kann sehr gut gelingen da man viel voneinander lernen kann bis nein da sind doch nur Komplexe im Spiel. Ich weiß, dass ist ein sehr großes Thema und letztendlich muss jeder für sich selber entscheiden und trotzdem fände ich es schön wenn Sie mal darüber schreiben würden. Vielleicht auch von den Erfahrungen die Sie diesbezüglich in ihrer Praxis damit gemacht haben???“

Spannenderweise mache ich gerade wirklich aktuell in der Praxis erstmals eine solche Erfahrung: mit einem Paar, bei dem der Mann 15 Jahre älter ist als die Frau. Und ganz persönlich ist das durchaus auch ein Thema, das mir nicht fremd ist: Mein Vater war 20 Jahre älter als meine Mutter, und mein Schwiegervater immerhin zehn Jahre jünger als meine Schwiegermutter (was 1965, als die beiden heirateten, an einen Skandal grenzte!). Klar, dass ich die Anregung von Diana also gerne aufgreife und heute mal einen Blog dazu schreibe.

„Gegensätze ziehen sich an“, sagt der Volksmund, und zwei Menschen, die ein großer Altersunterschied trennt, sind von vornherein natürlich in vielem sehr unterschiedlich. Es ist also eigentlich gar nicht so erstaunlich, wenn sich zwei ineinander verlieben, die auf den ersten Blick nicht allzu viel gemeinsam zu haben scheinen. Oft sprühen in solchen Beziehungen gerade am Anfang die Funken sogar stärker als bei gleichaltrigen Partnern: Der Jüngere ist fasziniert von der Ausstrahlung und Lebenserfahrung des Älteren und bewundert diesen meist ganz besonders - klar, dass das für den Älteren ungemein angenehm, geradezu berauschend ist. Fragt man den älteren Teil in solchen Beziehungen, was diese für ihn bedeutet, fällt auch oft der Begriff vom „Jungbrunnen“, und tatsächlich kann man meist beobachten, dass der Ältere viel daran setzt, in jeder Hinsicht mit dem Jüngeren mitzuhalten. Das kann sich sehr positiv auswirken, denn wer sich jung fühlt, bleibt oft auch länger jung. Man neigt dann eher dazu, die eigenen Grenzen auszureizen, sich selbst in Top-Form zu halten und geistig möglichst beweglich zu sein. Statt sich gemütlich in der eigenen Arriviertheit einzurichten, bleibt man offen für Neues, interessiert sich für Trends, beäugt nicht alles, was „die Jugend“ so treibt mit Argwohn und schimpft auch nicht bei jeder Gelegenheit darüber, dass früher alles besser war (ein Phänomen, das ich zunehmend schon bei Menschen meiner Generation festzustellen beginne - Hilfe!!).

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Aber natürlich gibt es auch Negativbeispiele zu diesem Effekt: Wer kennt sie nicht, die Herren der Schöpfung, die krampfhaft mit Haarimplantanten und schicken Sportflitzern auf jugendlichen Liebhaber zu machen versuchen, obwohl sie die 60 schon hinter sich gelassen haben? Oder die Damen, bei denen Faltentiefe im Gesicht und Rocklänge so gar nicht zusammenpassen wollen? Das erzeugt dann diese Schreckmomente, wenn man auf der Straße nichts ahnend hinter einer hoch toupierten Blondine in Hot Pants (Größe 34) und High Heels her läuft und diese sich dann plötzlich umdreht ... „Von hinten Lyzeum, von vorne Museum“, pflegte mein Vater in solchen Situationen lakonisch zu kommentieren. Oder - noch schlimmer! - diejenigen, die vor lauter Botox und aufgespritzten Lippen zu keinerlei natürlicher Mimik mehr fähig sind.

Aber selbst wenn es nicht ganz so extrem wird, bedeutet die Situation für den älteren Partner meist zumindest ab dem Zeitpunkt ziemlichen Stress, an dem sich gewisse altersbedingte Einschränkungen und Veränderungen nicht mehr einfach übersehen lassen. Ist die Frau die Ältere, kämpft sie dann oft mit großen Ängsten vor dem Verlassenwerden - was, wenn er ihrer überdrüssig wird und sich eine Jüngere nimmt? Männer fürchten sich dagegen wohl seltener davor, dass ihnen ihre sehr viel jüngere Partnerin davon läuft - möglicherweise liegt das auch mit daran, dass in diesen Konstellationen die Männer sehr häufig finanziell überdurchschnittlich gut situiert sind, was in ihren Augen einen gewissen Ausgleich für ihr Alter darstellt (übrigens durchaus zu Recht, wie Studien immer wieder belegen). Bei ihnen dominiert dafür eher die Sorge über nachlassende körperliche Leistungsfähigkeit oder drohende Impotenz.

Ganz allgemein braucht es in solchen Beziehungen auch deshalb viel Verständnis und Toleranz füreinander, weil die Partner ab einem gewissen Altersunterschied eigentlich unterschiedlichen Generationen angehören - und damit unter Umständen von unterschiedlichen Rollenbildern, Denkmustern und Kulturen geprägt sind. Noch vor zwanzig oder dreißig Jahren waren beispielsweise Männer, die sich hauptsächlich um die Kindererziehung kümmerten, ausgesprochene Exoten und wurden eher belächelt. Heute dagegen werden entsprechende Fähigkeiten und die Bereitschaft, partnerschaftlich in Haushalt und Nachwuchspflege zu investieren, von den meisten Frauen der jüngeren Generation nachdrücklich eingefordert. Umgekehrt hat sich auch das Frauenbild in diesem Zeitraum sehr verändert. Solche gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbilder sorgen oft genug schon in Partnerschaften für Spannungen, bei denen Mann und Frau mehr oder weniger gleich alt sind - in Beziehungen, in denen fünfzehn oder zwanzig Jahre die beiden trennen, können sie daher schnell zu ziemlichem Zündstoff werden.

Aber mal ganz abgesehen von diesen eher lebenspraktischen Fragen ergeben sich Konflikte in Beziehungen mit großem Altersunterschied auch manchmal daraus, dass die Partner persönlich und lebensgeschichtlich an unterschiedlichen Punkten ihrer Entwicklung und ihres Lebens stehen. Das erlebe ich gerade bei dem Paar in Therapie: Während sie mit Anfang Dreißig gerade so richtig hinsichtlich Beruf und „noch mal auf den Putz hauen“ durchstarten möchte, ist er mit Ende Vierzig eher in einem ruhigeren Fahrwasser angekommen. Das führt dann schnell zu handfesten Interessenskonflikten, die nur mit ganz viel Kommunikation und gegenseitigem Entgegenkommen zu bewältigen sind. Bei meinen Eltern gab es diesbezüglich übrigens auch sicher einiges an Diskussionsbedarf: Als ich mich per Schwangerschaftstest anmeldete, war meine Mutter gerade 42 geworden, mein Vater aber bereits 62 - in einem Alter also, in dem die meisten Männer eher an einen geruhsamen Rentenalltag denken als an Babywindeln und nächtliches Aufstehen.

Zu meinem Glück war mein Vater flexibel und fit genug, um diese unerwartete Herausforderung zu begrüßen (sonst wäre ich möglicherweise irgendwo im Klinikabfall gelandet). Und als Tochter habe ich in vielerlei Hinsicht davon profitiert, dass mein Vater auch locker mein Opa hätte sein können: er war sehr geduldig, hatte viel Zeit für mich und ließ sich sehr intensiv auf dieses Abenteuer der erneuten späten Vaterschaft ein. Dennoch habe ich später oft gedacht, dass es für ihn nicht leicht gewesen sein kann; damals wusste er ja noch nicht, dass er bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit über neunzig werden würde. Ob er wohl oft gefürchtet hat, dass er mich nicht mehr aufwachsen sehen würde? Meine Mutter plagten solche Gedanken natürlich mit ihren Anfang Vierzig nicht - Alter und Tod sind ja unter normalen Umständen keine Themen, die einen da schon besonders berühren. Läuft es in der Partnerschaft gut, müssen diese zeitversetzten Lebensthemen kein Problem sein; im Idealfall profitiert man durchaus auch voneinander, wenn man es schafft, miteinander im Gespräch zu bleiben. Aber dass es immer einfach ist, glaube ich nicht.

Eine besondere Herausforderung in Beziehungen mit großem Altersunterschied ist sicherlich immer auch die Frage nach Dominanz und Unterordnung. Während gleich alte Partner diesbezüglich quasi „auf Augenhöhe“ miteinander aushandeln, wer wann wie führt, besteht bei Paaren mit großem Altersunterschied oft die Gefahr, dass der Ältere aufgrund seiner größeren Lebenserfahrung den Jüngeren zu „erziehen“ versucht oder an manchen Punkten nicht ernst genug nimmt. Das geschieht oft in der besten Absicht, weil der Ältere meint, den Jüngeren beispielsweise entlasten oder beschützen zu müssen. Meiner Mutter fiel es nach dem Tod meines Vaters ungemein schwer, einigermaßen allein zurecht zu kommen, da er ihr zeitlebens vieles abgenommen hatte, womit er sie nicht belasten wollte. Sie hatte beispielsweise mit ihren 72 Jahren noch nie zuvor ein Überweisungsformular ausgefüllt, ja, sie hatte noch nicht einmal einen annähernden Überblick über ihre finanzielle Situation - darum hatte sich halt immer er gekümmert! - Oder es passiert genau das Gegenteil: dass der Ältere vor lauter Bemühen, den Jüngeren bei Laune und an seiner Seite zu halten, zu allem ja und amen sagt, weil er keinesfalls einen Konflikt riskieren möchte, aus Angst, den Partner dann zu verlieren. Auf diese Weise entstehen dann schnell ungute Mutter-Sohn- oder Vater-Tochter-Rollen, die keinem der Beteiligten gut tun und in denen auch viel Ärger vorprogrammiert ist, wenn der Dominierte dann - natürlich! - früher oder später endlich aufmuckt und versucht, eine gleichberechtigte Beziehung herzustellen. Im Grunde müssen solche Paare daher noch sorgfältiger als gleichaltrige darauf achten, das Gleichgewicht in ihrer Beziehung immer wieder neu zu überprüfen und auszuhandeln.

Promi-Paare sind, wie ich finde, übrigens immer ein hübscher Maßstab dafür, inwieweit in unserer Gesellschaft doch auch immer noch der Spruch: „wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe!“ gilt. Michael Douglas ist 25 älter als Catherine Zeta-Jones, Joschka Fischer hat seiner aktuellen Gattin Minu Barati 27 Jahre voraus und Sky Dumont schmückt sich mit einer dreißig Jahre jüngeren Ehefrau. Von Jopie Heesters und Simone Rethel, die ganze 46 Jahre trennen, wollen wir gar nicht erst anfangen. Was ernten die Herren der Schöpfung, wenn sie mit den flotten Bienen aufkreuzen? Richtig: Bewunderung, Neid, Anerkennung. Wenn dagegen Demi Moore sich den 15 Jahre jüngeren Ashton Kutcher schnappt oder Kate Moss mit einem elf Jahre jüngeren Typen turtelt, gehen die Augenbrauen der geneigten Öffentlichkeit doch eher skeptisch in die Höhe. "Liegen mehr als fünf oder zehn Jahre zwischen beiden Partnern, brauchen Frauen starke Nerven und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, um diese Liebe zu leben," sagt die Autorin Susanne Walsleben, die gerade einen Ratgeber zum Thema veröffentlicht hat: „Wie liebt man einen jüngeren Mann?“ Schnell ist da die Rede von Ausnutzen und es wird spekuliert, wann die Dame ihm wohl zu alt sein wird. Dabei passen etwas ältere Frauen und jüngere Männer laut Kinsey-Report zumindest sexuell eigentlich ganz gut zusammen: Sie ist endlich in dem Stadium angekommen, wo sie erfahren und gelassen genug ist, um ihre Sexualität selbstbewusst zu leben, und er ist auf dem Höhepunkt seiner Potenz, gleichzeitig aber auch verspielt und experimentierfreudig. Klingt doch ganz gut, oder?

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