Zum Psychologen? Ich bin doch nicht verrückt! (2)



Die erste Frage, die du dir bei der Suche nach einem Therapeuten stellen solltest, ist die nach der Schwere der Problematik. Je nachdem, wie heftig die Symptome sind, unter denen du leidest, ist auch deine Funktionsfähigkeit im Alltag beeinträchtigt; oft hat das auch damit zu tun, dass man zu lange gezögert hat, überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen. Grundsätzlich ist zwar eine ambulante Therapie erst mal das Mittel der Wahl, aber wenn du das Gefühl hast, du kommst mit den ganz normalen alltäglichen Dingen um dich herum bereits nicht oder kaum noch zurecht und vor allem dann, wenn du sehr stark unter suizidalen Gedanken leidest (also sehr oft und sehr konkret über Selbstmord nachdenkst), ist eine stationäre Therapie auf jeden Fall vorzuziehen. Damit bist du erst mal in einem geschützten Umfeld, in dem du dich um nichts außer dir selbst kümmern musst. Beim Finden eines stationären Therapieplatzes kann dir dein Hausarzt helfen. An eine stationäre Therapie schließt sich im Idealfall meist eine ambulante Therapie an, da in den meist 4 Wochen Klinik nur erste Weichenstellungen stattfinden können.

Bist du einigermaßen in der Lage, im Alltag zurecht zu kommen, ist eine ambulante Therapie natürlich vorzuziehen. Hier musst du zunächst zwei wichtige Fragen für dich beantworten:
  1. Ist es für dich notwendig, dass deine Krankenkasse die Kosten der Therapie übernimmt, oder kannst du dir auch vorstellen, die Gespräche selbst zu bezahlen?
  2. Möchtest du dich lieber von einem Mediziner mit psychotherapeutischer Zusatzqualifikation betreuen lassen oder lieber von einem Psychologen?

Zur ersten Frage musst du wissen, dass vor allem die gesetzlichen Kassen nur die Therapie bei nach ganz bestimmten Richtlinien ausgebildeten Psychotherapeuten finanzieren. Dazu gehören zunächst mal alle Ärzte - also alle diejenigen, die erst Medizin studiert haben und danach entweder eine Weiterbildung zum Facharzt gemacht haben oder eine berufsbegleitende Zusatzqualifikation erworben haben. Sie findest du im Telefonbuch unter den Begriffen „Psychiater“, „Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie“, „Facharzt für (Kinder- und Jugend-) Psychiatrie und Psychotherapie“. Sie sind auch die einzigen, die Medikamente (z. B. Antidepressiva) verschreiben dürfen. Ihr Verständnis von psychischen Problemen kommt also eher aus der medizinischen Richtung, wobei sie natürlich nicht zwangsläufig mit Medikamenten arbeiten - aber sie können es tun.

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Wenn du lieber zu einem Psychologen in Behandlung gehen möchtest, musst du als gesetzlich Versicherter nach den „Psychologischen Psychotherapeuten“ im Telefonbuch suchen. Sie haben dann an der Universität nicht Medizin, sondern Psychologie studiert, und im Anschluss daran eine therapeutische Weiterbildung in den so genannten „Richtlinienverfahren“ der Krankenkassen gemacht (das sind entweder Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologische Verfahren). Da es das Gesetz, das ihre Ausbildung regelt, erst seit 1999 gibt, gehören zu ihnen allerdings derzeit auch noch manche anders ausgebildete Therapeuten, die dann aber langjährige Praxis nachweisen mussten und über eine Sonder-Übergangsregelung diesen Titel und die Krankenkassenzulassen erworben habe. Wenn du dich für einen Psychologischen Psychotherapeuten entscheidest, bekommst du von ihm keine Medikamente, sondern wirst nur mit psychologischen Methoden behandelt. Deshalb solltest du dir auch über die zweite Frage Gedanken machen, denn die Entscheidung für einen Mediziner oder einen Psychologen hat natürlich viel mit deinen ganz persönlichen Überzeugungen bezüglich der Rolle von Medikamenten, der Herkunft deiner Probleme und der Art, wie du gerne an ihnen arbeiten möchtest, zu tun.

Das Problem bei den genannten Therapeuten ist allerdings oft, dass sie sehr überlaufen sind, da die Kassen nur relativ wenige Kassensitze pro Region vergeben. Du musst also - je nach deinem Wohnort - in der Regel zwischen drei und neun Monaten Wartezeit für einen Therapieplatz einkalkulieren. Es ist daher eine gute Idee, sich bei mehreren Therapeuten gleichzeitig um einen Platz zu bemühen - manchmal hat man Glück und rutscht früher rein.

Neben den Richtlinienverfahren gibt es natürlich noch weitere therapeutische Ausbildungen, die zwar zum Teil schon sehr alt und in vielen Bereichen anerkannt sind, die aber die gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlen (die privaten sehen das anders). Dazu gehören z. B. die systemische Therapie, die klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers, die Logotherapie und viele andere mehr. Diplom-Psychologen, die in einem dieser Verfahren ausgebildet sind, können als „Heilpraktiker für Psychotherapie“ mit den meisten privaten Krankenkassen abrechnen. Bist du also privat versichert oder hast eine Zusatzversicherung, lohnt es sich, mit deiner Kasse zu klären, ob sie die Kosten übernimmt. Damit erhöht sich deine Auswahlmöglichkeit oft sehr. Außerdem bekommst du bei den nicht-kassenzugelassenen Therapeuten meist sehr schnell einen Termin. Selbstverständlich kannst du - wenn du die Wartezeiten bei einem gesetzlich zugelassenen Therapeuten nicht in Kauf nehmen möchtest - deine Therapie auch immer selbst finanzieren. Die Kosten für eine Therapiestunde sind dabei unterschiedlich; sie schwanken meist zwischen 50,- und 90,- €. Achte bei deiner Auswahl aber vielleicht auf die Begriffe „Diplom-Psychologe/in“ und/oder „Heilpraktiker für Psychotherapie“, weil sie dir eine gewisse Sicherheit über die Qualifikation deiner/deines TherapeutIn geben, da sie geschützt sind und nur mit abgeschlossenem Studium geführt werden dürfen. Bezeichnungen wie „(psychologischer) Berater“, „Lebensberater“, „Heiler“, „Coach“, „Mentaltrainer“ usw. dagegen sind nicht geschützt und dürfen daher von jedem verwendet werden. Das soll nicht heißen, dass jeder, der sich so nennt, ein schlechter Berater für dich ist - es heißt nur, dass sich dahinter sehr heterogene Ausbildungs- und Berufserfahrungskriterien verbergen können. Dabei kannst du natürlich Glück haben und jemand ganz Tolles erwischen, der dir besser hilft als jeder Arzt, du läufst aber auch eher Gefahr, einem Scharlatan zum Opfer zu fallen und dein Geld zum Fenster rauszuwerfen.

Last but not least solltest du dir vorab Gedanken machen, ob du mit deinem ganz speziellen Problem lieber zu einem Mann oder einer Frau gehen möchtest - und zur Not auch etwas länger warten, damit diese Prämisse erfüllt ist, wenn sie dir wichtig ist. Auch als gesetzlich Versicherter hast du übrigens Anspruch auf fünf so genannte „probatorische Sitzungen“. Nutze sie! Schau dir ruhig unterschiedliche Therapeuten an und lass deinen Bauch entscheiden, mit wem du gerne arbeiten möchtest und bei wem du dich nicht so gut aufgehoben fühlst. Denn nur wenn die Chemie zwischen dir und deinem Therapeuten stimmt, wird sich eure Zusammenarbeit langfristig als fruchtbar erweisen. Ansonsten kannst du dir die Mühe sparen. Die „therapeutische Beziehung“ hat sich in vielen Untersuchungen als DIE ausschlaggebende Variable für oder gegen den Therapieerfolg erwiesen - viel ausschlaggebender als beispielsweise die Therapierichtung! Provokant gesagt: wenn du bezüglich deines Problems mehr Vertrauen zu der Geistheilerin von nebenan hast als zu Herrn Prof. Dr. med. für Psychiatrie XY oder zur Frau Diplompsychologin - geh zur Geistheilerin! (Und das sage ich dir, obwohl ich hinsichtlich Geistheilungen echt skeptisch bin!) Wenn du eine Blinddarmentzündung hast, ist es relativ egal, ob du den Chirurgen, der dir den Bauch aufschneidet, sympathisch findest - Hauptsache, der Mann versteht sein Handwerk. Aber deine Seele, die kann man nicht einfach aufschneiden und wieder in Ordnung bringen. Das ist ein komplizierter, sensibler Prozess, und da kommt es wirklich darauf an, dass du dich ganz subjektiv betrachtet gut aufgehoben, als Mensch angenommen und verstanden fühlst. Also lass dir von niemandem einen „Experten“ aufschwatzen, der ganz toll ist und schon sooo vielen Leuten geholfen hat, wenn du selbst ihn unsympathisch findest! Der einzige Experte für dich und dein Leben bist du - und du musst entscheiden, wem du dich anvertrauen willst.

Handelt es sich bei deinen Schwierigkeiten um ein Paarproblem oder brauchst du/ihr eine Familientherapie, dann musst du die Therapie übrigens in jedem Fall selbst bezahlen, da weder Familien- noch Paartherapie von Krankenkassen finanziert werden. Du kannst aber natürlich auch noch prüfen, ob eine Therapie unbedingt notwendig ist, oder ob dir auch ein etwas niedrigschwelligeres Angebot genügen würde. Recherchiere also unter Umständen auch noch nach:
  • Selbsthilfegruppen in deiner Nähe (mittlerweile gibt es zu den meisten Problemen welche)

  • Beratungsstellen öffentlicher Träger (z. B. Pro Familia, Frauennotruf, Erziehungsberatungsstellen von Diakonie oder Caritas usw.). Sie bieten kostenlose Beratungen an, haben allerdings oft auch längere Wartezeiten. In den meisten Gemeinden gibt es lokale Verzeichnisse, ansonsten ist das Internet hier auch eine gute Suchhilfe).

  • Trainingsangebote für bestimmte Fertigkeiten (z. B. Selbstsicherheit, Kommunikation, Konzentration, Stressbewältigung usw.) findest du oft auch bei öffentlichen Bildungsträgern wie den Volkshochschulen sehr kostengünstig. Manche davon werden auch von Krankenkassen gefördert - es lohnt sich, danach zu fragen!

So, ich hoffe, ich konnte dir ein paar Orientierungskriterien für den Psycho-Dschungel an die Hand geben, die dir die Auswahl erleichtern, falls du jetzt oder später einmal Hilfe für dich suchst und dir auch ein bisschen die Hemmungen dafür nehmen. Lass dich nicht entmutigen, wenn du nicht auf Anhieb einen Treffer landest, sondern such lieber etwas länger, bis du wirklich das Gefühl hast, an die richtige Adresse geraten zu sein. Ich wünsche dir, dass du das Passende für dich findest.

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