Von der Kunst des Neinsagens - 2. Teil



Vor einiger Zeit hast du auf unserem Blog ja schon einen ersten Text zu diesem Thema lesen können. Dabei ging es in erster Linie um mögliche Hintergründe, die dazu führen, dass es manchen Menschen schwerer als anderen fällt, sich gegenüber unberechtigten Forderungen abzugrenzen und die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen. Heute nun soll es vor allem um Möglichkeiten gehen, wie du - falls du selbst für dich festgestellt hast, dass auch du zu oft „ja“ und zu selten „nein“ sagst - erste Schritte in Richtung einer Veränderung unternehmen kannst.

Fang mit Kleinigkeiten an. (Wie heißt es so schön? Es ist besser, das Ziel mit drei kleinen Schritten zu erreichen, als sich bei einem großen Sprung die Beine zu brechen!) Am einfachsten geht es vielleicht, wenn du mit den Forderungen an dich beginnst, die gar nicht ausdrücklich als solche formuliert werden, sondern eher als versteckte Appelle an deine Hilfsbereitschaft daher kommen. (Lies dazu auch "Ich sage was, was du nicht hörst - oder umgekehrt") Du kennst sicherlich diese demonstrativ lauten Seufzer aus deiner Umgebung: „Ach, wenn ich nur wüsste, wie ich das alles schaffen soll ...!!“ ... und wenn du ein netter Mensch mit einem großen Appellohr bist, dann wird es sicher öfter vorkommen, dass du in diesen Fällen sofort deine Unterstützung anbietest, obwohl du vielleicht gar keine Zeit oder Lust dazu hast. Probiere bei solchen Gelegenheiten mal aus, nicht gleich loszustürzen und die Probleme anderer für sie zu lösen, sondern einfach mit freundlicher, aber inaktiver Teilnahme zu reagieren: „Ja, ich finde auch, wir haben eigentlich zu wenig Mitarbeiter; ich habe auch meistens zu viel zu tun!“ Das ist natürlich umso schwieriger, je näher dir die appellierende Person steht. (Um eins noch mal klar zu stellen: Es geht hier nicht um Fälle, in denen du von Herzen gerne hilfst, sondern um die Gelegenheiten, bei denen du dich schon im voraus ärgerst, dass du dich wieder hast breit schlagen lassen!) Wenn es zu schwierig ist, mach den Schritt noch kleiner und beginne einfach damit, dass du eine kleine Pause verstreichen lässt, bevor du auf den Appell reagierst. Die kannst du dann langsam von Fall zu Fall weiter ausdehnen ... und irgendwann zur nächsten Variante übergehen.

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Signalisiere Verständnis für den Wunsch des anderen, bevor du ihn ablehnst. Das nimmt deiner Ablehnung die Schärfe und verhindert auch meist, dass der andere sie persönlich nimmt, denn du zeigst damit, dass er dir nicht egal ist. Sprich bei deiner Ablehnung auch über deine eigenen Gefühle: "Ich kann verstehen, dass du im Stress bist und meine Hilfe möchtest, und es tut mir Leid, dass ich keine Zeit habe, aber ich kann heute wirklich nicht." Obwohl du es eigentlich nicht musst, kannst du - wenn es dir die Sache leichter macht - deine Ablehnung auch begründen. Auch das sorgt dafür, dass der andere sie besser verstehen und akzeptieren kann: „Ich habe eine wichtige Verabredung, die ich nicht verschieben kann. Ansonsten wäre ich gerne länger im Büro geblieben.“ Wenn du es wirklich möchtest, kannst du dem Fragenden ja auch eine Alternative anbieten: "Heute passt es mir gar nicht, aber nächsten Dienstagabend kann ich dir gerne bei deiner Steuererklärung helfen." Vielleicht bist du ja auch bereit, einen Teil der Bitte zu erfüllen, einen anderen aber eben nicht. Oder du hast eine gute Idee, wie der andere sein Problem auch noch in den Griff kriegen könnte - allerdings ohne deine Hilfe - und schlägst sie ihm vor. Bei all diesen Vorgehensweisen kannst du ziemlich sicher davon ausgehen, dass der andere registriert, dass du ihm Verständnis und Interesse entgegenbringst und die Ablehnung sich nicht gegen ihn richtet. Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass er sie akzeptiert, ohne dir die Sache krumm zu nehmen. Prüfe aber immer genau, ob du dich mit der jeweiligen Variante dann auch wirklich wohl fühlst!

Eine sehr geschickte Methode des Neinsagens ist es auch, eine Absage mit Prinzipien zu begründen, um klar zu machen, dass sie nicht persönlich gemeint ist. Das bietet sich vor allem bei heiklen Themen im Familien- und Freundeskreis an, wenn der emotionale Druck auf dich sehr hoch ist, du aber trotzdem ganz klar spürst, dass du eine Bitte nicht erfüllen möchtest: "Ich leihe an Freunde und Verwandte grundsätzlich kein Geld mehr aus, weil ich damit schon schlechte Erfahrungen gemacht habe." - „Bei der ersten Verabredung nehme ich aus Prinzip niemanden mit in meine Wohnung mit, bitte versteh das.“ Sehr souverän wirkt es auch, wenn du dich für das Vertrauen bedankst, das der andere mit seiner Bitte in dich gesetzt hat. Damit nimmst du dem anderen ziemlich den Wind aus den Segeln: „Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, dass Sie mir das auch noch zutrauen, aber ich fürchte, ich kann die Aufgabe aus Termingründen einfach nicht übernehmen.“

Im Job ist es oft sehr schwer, sich gegen zusätzliche Arbeiten zu wehren, die einem ungerechtfertigt aufgehalst werden. Wenn dir das öfter passiert, versuche es doch auch wieder mit der „Pausen-Strategie“. Bitte dir erst mal Bedenkzeit aus, bevor du ja sagst, statt gleich zuzustimmen. "Ich muss erst in meinem Terminkalender schauen, ob ich das noch einrichten kann" verschafft dir etwas Luft. Prüf dann sorgfältig: Ist die Anfrage gerechtfertigt? Oder ist die Kollegin nur zu bequem und möchte etwas an dich abschieben, wozu sie selbst keine Lust hat? Nutze die Zeit auch, genau in dich hinein zu hören: Deine Wünsche und Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die der anderen. „Ja“ sagen kannst du ja immer noch - und hast immerhin doch eine kleine Hürde für die Kollegin aufgebaut! Und wenn du dich dann doch zu einem „Ja“ entschließt: Überlege mal, ob es nicht Möglichkeiten gibt, wie sich der oder die andere bei dir revanchieren könnte, und liefere sie am besten zusammen mit deinem „Ja“ gleich bei ihm oder ihr ab: "Ich mache die Kopien heute für dich mit, wenn du dringend weg musst, dafür übernimmst du morgen das Kaffeekochen für die Konferenz vom Chef!" Das funktioniert auch im Privatleben sehr gut: "Ich nehme deine Kinder heute Nachmittag gerne mit in den Zoo, damit du zum Friseur kannst. Nächste Woche habe ich einen Arzttermin; vielleicht kann Benjamin da bei euch essen und Hausaufgaben machen?" Auf diese Weise hast du bessere Chancen, dass das Nehmen-Geben-Verhältnis zwischen euch einigermaßen ausgeglichen bleibt.

Wenn alle Strategien dir unverhältnismäßig schwer fallen, denk noch mal über die drei folgenden Punkte nach:

Überschätzt du vielleicht die Folgen, die ein „Nein“ von dir auf deine beruflichen und privaten Beziehung hat? Manche Menschen haben die reinsten Horrorszenarien im Kopf, wie andere auf etwas mehr Selbstbehauptung ihrerseits reagieren könnten. Finde heraus, was genau dir solche Angst macht und teste in kleinen Schritten, wie unbegründet deine Befürchtungen vermutlich sind. Wie oft hast du selbst schon ein "Nein" eingesteckt, ohne dass dadurch eine Beziehung in die Brüche gegangen ist? Andere können das auch! Ständig Ja und Amen zu sagen, macht dich auf Dauer unzufrieden und gereizt  - und ist damit ein viel größeres Risiko für deine zwischenmenschlichen Kontakte. 
Befreie dich von der Vorstellung, du seist dazu da, alle Probleme dieser Welt zu lösen. In erster Linie bist du für dich selbst verantwortlich - so wie jeder andere auch! Ein übersteigertes Verantwortungsgefühl führt nur zu (unberechtigten!) Schuldgefühlen. 
Lass dich nicht austricksen: "Jetzt bin ich aber enttäuscht von dir!" - "Und ich dachte, auf dich kann ich  mich verlassen!" Dahinter steckt in aller Regel der (bewusste oder unbewusste) Versuch, dich zu manipulieren und über dein schlechtes Gewissen in die Falle zu locken. Sag ruhig: "Das tut mir Leid, ich wollte dich sicher nicht kränken!" - aber bleib hart!

Wie bei allen Veränderungsprozessen gilt natürlich auch hier: Sei geduldig und erwarte vor allem am Anfang nicht zu viel von dir! Gewohnheiten sind schwer zu durchbrechen; Hartnäckigkeit ist angesagt! Und kleine Erfolge solltest du ruhig feiern; sie sind sicher nicht leicht errungen!

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