Tiere als Therapeuten: wie Katze, Hund und Co. der Seele gut tun



Ich gebe es zu: ich bin voreingenommen. Tiere haben in meinem eigenen Leben schon immer eine große Rolle gespielt, und ein Dasein ohne mindestens eine Katze in meinem Haushalt kann ich mir schon lange nicht mehr vorstellen. Wahrscheinlich kommt es auch daher, dass ich in der Arbeit mit Klienten gelegentlich auf vierbeinige Helfer zurückgreife, wenn es sich anbietet - und zwar mit ausgesprochen guten Erfolgen.

Vor einigen Jahren gab es da zum Beispiel die junge Frau, die als Mädchen vom Nachbarn sexuell missbraucht worden war und seither allen körperlichen Berührungen auswich. Selbst eine herzliche Umarmung durch eine gute Freundin ließ sie in eine Art Totenstarre verfallen und rief statt angenehmer Gefühle nur blanke Panik in ihr wach. Gleichzeitig litt sie sehr unter diesem Zustand und hatte große Sehnsucht nach Nähe, wusste aber nicht, wie sie ihre Ängste überwinden sollte. Irgendwann im Lauf unserer ersten Gespräche hatte sie erwähnt, dass sie sich als Kind immer ein Zwergkaninchen gewünscht, aber nie eins bekommen hatte. Jetzt war sie erwachsen und hatte ihre eigene Wohnung, also sprach nichts dagegen, diesen Traum wahr zu machen. Nach einigem Zögern ließ sie sich von mir auch überreden, in eine Tierhandlung zu gehen, und verliebte sich sozusagen auf den ersten Blick in ein bildhübsches Kaninchen, das den Namen Felix bekam.

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Felix wurde zu einem ganz wichtigen Begleiter im Leben der jungen Frau, und wie Kaninchen so sind, wurde er schnell sehr zutraulich und anhänglich. Bald war es ihm nicht mehr genug, bei seinem täglichen Freilauf im Zimmer bloß herumzuhoppeln: er wollte bitte auf den Schoß, mit ins Bett, und forderte Streicheleinheiten noch und noch. Ich erinnere mich noch gut an die Stunde, in der die junge Frau mir berichtete, wie Felix sich das erste Mal an ihren Hals gekuschelt und an ihren Haaren geknabbert hatte, während sie auf dem Bett lag und las. Prompt wurde sie stocksteif vor Schreck und verkrampfte sich total .. aber Felix interessierte das nicht sonderlich. Beharrlich schmuste er sich von Tag zu Tag näher an sein Frauchen heran, und unter seinen einfühlsamen Puschelpfötchen schmolz ihr Widerstand nach und nach dahin. Felix hatte einfach ein gutes Gespür dafür, wie weit er jeweils gehen durfte. Sie begann, die Kuschelzeiten mit ihm zu genießen, und Schritt für Schritt gelang es ihr auch, diese Erfahrung auf zwischenmenschliche Beziehungen zu übertragen und wieder Vertrauen zu anderen zu fassen. Mittlerweile ist sie eine sehr ausgeglichene und aufgeschlossene junge Frau mit vielen unbefangenen Sozialkontakten geworden. Felix ist inzwischen leider schon im Kaninchenhimmel angekommen, behält aber für alle Zeiten einen Ehrenplatz in ihrem (und meinem!) Herzen. Er war der beste Co-Therapeut, den ich mir wünschen konnte!

Dass Tiere in vielen Zusammenhängen therapeutisch eingesetzt werden können, ist Psychologen und Medizinern schon lange bekannt. Teilweise wird tiergestützte Therapie sogar von den Krankenkassen finanziert; leider bei weitem nicht so oft, wie es aus Therapeutensicht wünschenswert wäre. Die Einsatzbereiche der vierbeinigen, schwimmenden oder geflügelten Helfer sind dabei sehr breit gefächert. Relativ bekannt ist durch verschiedene Medienberichte in den letzten Jahren die - natürlich sehr aufwändige und teure - Delfintherapie geworden, die in den siebziger Jahren durch den Psychologen Nathanson begründet wurde. Sie wird vor allem bei geistig und/oder körperlich schwer behinderten Kindern eingesetzt und zeitigt teilweise spektakuläre Erfolge, ist allerdings auch bei weitem nicht für jedermann erschwinglich. In unseren Breitengraden häufiger findet sich da schon die Hippotherapie oder das so genannte therapeutische Reiten (das gibt es sogar bei uns hier in Herxheim!). Sie wirkt sich einerseits sehr positiv auf Gleichgewicht, Muskelspannung und Körpergefühl bei körperlich Behinderten aus, hat aber auch Einfluss auf seelische und soziale Probleme: Pferde gelten als ausgesprochen sensible Tiere, die die Gemütsverfassung ihrer Reiter intuitiv wahrnehmen und darauf reagieren. Im Umgang mit ihnen können die Patienten viel über sich selbst erfahren und lernen, mit ihren Stimmungen anders umzugehen. Pferde, aber auch andere Tiere, wirken oft wie ein Spiegel (meist) unbewusster Emotionen und machen daher auch unterdrückte Gefühle sichtbar. Blockaden können sich lösen, Unbewusstes kann bewusst werden. Gleichzeitig baut eine Reittherapie fast zwangsläufig das Selbstvertrauen bei den Patienten auf, denn sie erleben bei sich selbst neue Stärken und trainieren soziale Fähigkeiten im Kontakt mit dem Tier. Sie entwickeln Verantwortungsgefühl und Einfühlungsvermögen für ein anderes Lebewesen, oft zum ersten Mal in ihrem Leben.

Ganz allgemein kann man sagen, dass Tiere unsere Gesundheit fördern, selbst wenn wir nicht seelisch oder körperlich krank sind: Wer einen Waldi oder Strolchi zu Hause hat, der muss nun mal auch bei Regen und Schnee nach draußen und den täglichen Spaziergang absolvieren - gut für Kondition, Herz und Kreislauf! Zahlreiche Studien belegen außerdem, dass Tierbesitzer einen niedrigeren Blutdruck und Cholesterinspiegel aufweisen und seltener depressiv sind als tierlose Zeitgenossen. Wer selbst ein Tier hat, kennt den Effekt: eine Runde ausgiebiges Fellkraulen entspannt einen selbst in Zeiten größten Stresses (der Herzschlag verlangsamt sich dabei messbar!), und kaum etwas wirkt so beruhigend auf uns wie das wohlige Schnurren einer zufriedenen Katze auf dem Schoß. Für viele Menschen werden die Tiere auch zu einer Art Vertrauens“person“: ihnen kann man alles erzählen, was einen bewegt und bedrückt, und trotzdem sicher sein, dass sie es zuverlässig für sich behalten und einen weiterhin liebevoll akzeptieren. Überhaupt ist das Gefühl des Angenommenwerdens, der bedingungslosen Zuwendung durch das Tier in den Augen der Experten ein besonders wichtiger Faktor für die Wirkung, die die Vierbeiner auf uns haben. Unserem Hund ist es herzlich gleichgültig, ob wir älter werden, nicht mehr so gut aussehen oder vielleicht sogar behindert sind; er interessiert sich nicht für unseren Einkommensstand und auch nicht für unsere berufliche Karriere. Er liebt uns einfach dafür, dass wir wir selbst sind - eine Erfahrung, die viele Menschen im Alltag unserer status- und leistungsorientierten Gesellschaft kaum oder zu wenig machen. Und nicht zuletzt gibt ein Tier seinem Besitzer das Gefühl, gebraucht zu werden, wichtig zu sein - unbezahlbar gerade für Menschen, denen es an sozialen Kontakten mangelt, denen vielleicht auch Lebensaufgaben abhanden gekommen sind. Immer wieder mache ich die Beobachtung, dass z. B. Arbeitslose, die ein Tier haben, oft besser mit ihrer Situation zurecht kommen als solche ohne tierischen Hausgenossen: da ist jemand, der bei der Mitteilung „ich bin jetzt auf Hartz IV“ nicht betreten den Blick senkt und auf Abstand geht. Mark Twain sagte einmal: „Tiere sind die besten Freunde. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.“ Und wer bräuchte nicht ab und zu genau so einen Freund in seinem Leben? Tiere werten uns nicht - sie schenken uns einfach ihre Zuneigung.

Es ist sicher auch kein Zufall, dass gerade ältere Menschen besonders positiv auf den Umgang mit Tieren reagieren, eine Erkenntnis, die sich zum Glück nach und nach in der Altenbetreuung durchsetzt. Zunehmend werden in Seniorenheimen auch Haustiere zugelassen oder wenigstens regelmäßige Besuche speziell ausgebildeter, besonders geduldiger Vierbeiner und ihrer Begleiter organisiert. Der Verein „Tiere helfen Menschen“ (http://www.thmev.de/) zum Beispiel besucht mit seinen Tieren Seniorenheime, aber auch Kliniken, Kinderheime, Behindertenheime, Betreute Wohneinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Justizvollzugsanstalten und Einzelpersonen mit einer körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung. So können z. B. Senioren in Altenheimen die Tiere streicheln, füttern und je nach ihren Möglichkeiten auch spazierenführen - und endlich mal jemanden anders umsorgen, statt immer nur selbst Fürsorge entgegen nehmen zu müssen. Oder jugendliche Straftäter lernen mit der Hilfe der Vierbeiner, sich selbst und ihre Impulse besser zu kontrollieren, Gefühle zu zeigen und Verantwortung für ihr Handeln und für andere zu übernehmen.

Tiere sind aber auch ganz ausgezeichnete Motivatoren, oft viel bessere, als menschliche Coaches je sein könnten. Der Anreiz, der von einem Tier ausgeht - z. B. der Wunsch, endlich mal ohne Hilfe auf dem Pferderücken sitzen zu können - ist für viele Menschen schlicht unwiderstehlich und spornt sie zu Entwicklungen und Veränderungen an. Autistische Kinder, blinde oder taube Patienten, aber auch alte oder demente Menschen, die sich bereits völlig in sich selbst zurückgezogen haben, kann man über ein Tier oft noch erreichen, wenn alle anderen Kontaktversuche bereits gescheitert sind: plötzlich zeigen sie wieder Interesse, streicheln dem Hund über das Fell oder lächeln, wenn ihnen die Katze um die Beine streicht. Überhaupt sind Tiere - vor allem Hunde! - in meinen Augen echt unschlagbar, wenn es darum geht, soziale Kompetenzen zu stärken und Kontaktfreude zu fördern. Es gibt mehr als einen Klienten, dem ich zumindest einen Patenhund aus dem Tierheim aufgeschwatzt habe, um mit ihm regelmäßig spazieren zu gehen; und immer wieder sind das Resultat nette Gespräche mit anderen Hundebesitzern auf Parkbänken oder neue Bekanntschaften. Selbst die Schüchternsten unter ihnen schaffen es dann, ein bisschen Smalltalk zu üben, denn Waldi oder Schnuffel bieten ja so unverfängliche Möglichkeiten dafür. Und plötzlich trauen sie sich dann auch ohne ihren vierbeinigen Coach an der Seite, auf der nächsten Party die Frau, die ihnen so gut gefällt, auf eine Weinschorle einzuladen.

Was für ein Tier du selbst vielleicht in dein Leben holen könntest, falls du noch keins hast, hängt natürlich von vielen Umständen ab - nicht zuletzt von deiner Zeit, deinen Wohnverhältnissen und deinen finanziellen Möglichkeiten. Hilfreich sind sie alle; in Therapien werden heute alle möglichen Tiere eingesetzt: neben den schon genannten auch Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Schweine, Alpakas, Vögel, Nager, Fische und zahllose andere. Es kommt nur darauf an, was für dich stimmig und möglich ist. Wenn du da eine gute Wahl triffst, wird es auf jeden Fall eine Bereicherung für dich sein, wusste doch schon Konrad Lorenz: „Der Wunsch ein Tier zu halten, entspringt meist einem uralten Grundmotiv, nämlich der Sehnsucht des Kulturmenschen nach dem verlorenen Paradies.“ Ein Stückchen davon schnurrt übrigens gerade sehr zufrieden neben mir auf meinem Schreibtisch ...

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