Die Kunst des Genießens: Wie du bewusst schöne Momente sammelst
17.05.24 von Diplom-Psychologin Felicitas Heyne | Abgelegt in: Lebensgestaltung | Glück | Freizeit | Persönlichkeit
Vor längerem habe ich hier ja schon Frederick vorgestellt, die kleine Maus, die während des Sommers lieber Sonnenstrahlen als Körner für den Winter sammelte. Spätestens seit meinem Artikel über die Magie des Moments weißt du, dass schöne Momente in uns langfristig mehr Glücksgefühle erzeugen, als schöne Dinge es tun.
Aber um überhaupt schöne Momente sammeln zu können ist etwas ganz wichtig, was viele von uns fast verlernt haben: Genussfähigkeit!
Das mag jetzt erst mal merkwürdig klingen, aber nur wenige Menschen können noch so richtig von Herzen genießen. Kein Wunder in unserer leistungsorientierten Gesellschaft. Zeit ist schließlich Geld! Wer traut sich da, in aller Ruhe mit einem Eisbecher untätig in der Sonne zu sitzen, wenn schon wieder der nächste Termin drängt?
Allzeit im Stress zu sein, ist heute fast ein obligatorischer Zustand; signalisiert er doch Aktivität, Produktivität, Gefragtsein. Selbst in der Freizeit wird bei vielen gerne jede Minute durchgeplant. Unzählige Möglichkeiten der Gestaltung erzeugen dann irgendwann eher den berühmten Freizeitstress, statt Muße oder gar Genuss.
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ und ähnlich genussfeindliche, „preußische“ Anweisungen haben außerdem wohl die meisten von uns im Laufe ihrer Erziehung irgendwann mit auf den Weg bekommen. Als Deutsche bilden wir leider in Sachen Genuss im internationalen Vergleich auch deshalb in Studien häufig das Schlusslicht.
Richtig genießen kann man zudem natürlich nur, wenn man weiß, was einem wirklich gut tut. Und das muss man erst mal herausfinden! Die ganz persönliche Wahrnehmung wird dabei oft stark von äußeren Einflüssen überlagert. Da suggeriert einem zum Beispiel die Werbung ständig, was man angeblich alles tun und haben muss, um genießen zu können. Von den sozialen Netzwerken und deren Wirkung auf uns ganz zu schweigen. Wenn alle anderen Bali so toll finden - muss ich dann da nicht auch auf jeden Fall mal dort hin??
Jeder iPersonic-Persönlichkeitstyp hat außerdem seine eigene Art, das Leben zu genießen. Einige Typen sind von Natur aus besser darin, das Leben zu genießen, während andere sich manchmal schwerer tun. Beginnen wir doch mal mit den beiden, die es wahrscheinlich am besten können. Unsere Spitzenreiter in Sachen Genuss sind:
- Spontane Idealisten sind optimistisch und begeisterungsfähig. Sie lieben Abwechslung und neue Erlebnisse, was ihnen sehr oft hilft, das Leben in vollen Zügen zu genießen und aus jedem Moment ein Fest zu machen
- Lässige Macher: Lässige Macher haben eine entspannte und gelassene Haltung. Sie neigen dazu, sich weniger Sorgen zu machen und nehmen das Leben, wie es kommt. Zusammen mit ihrer großen Sinnenfreude eine sehr genussfreundliche Kombination!
In der Regel sehr gut genießen können das Leben aufgrund ihrer praktisch-spontanen Präferenz und ihrer stark ausgeprägten Sinnlichkeit auch die drei anderen Macher-Typen:
Eher schwer in Sachen Genuss hingegen haben es diese Typen:
- Analytische Denker konzentrieren sich stark auf Details und Probleme. Ihr Hang zur Perfektion und ihre kritische Natur können es ihnen schwer machen, einfach im Moment zu leben und Freude zu finden.
- Unabhängige Denker lieben ihre Freiheit und Autonomie, was ihnen zwar einerseits schöne Momente bescheren kann. Andererseits haben sie auch oft Schwierigkeiten, Unterstützung zu suchen und Gemeinsamkeit zu genießen.
- Verlässliche Realisten sind zuverlässig und bodenständig, sie schätzen Stabilität, und Routine und suchen Sicherheit und Beständigkeit. Deshalb können sie sich manchmal in Pflichten und Gewohnheiten verlieren und Veränderungen vermeiden, die ihnen neue Freude bringen könnten.
- Gutmütige Realisten sind freundlich und entgegenkommend, sie genießen das Leben durch ihre positive Einstellung und ihre Fähigkeit, sich um andere zu kümmern. Ihre Fürsorglichkeit kann jedoch schnell dazu führen, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen.
- Verträumte Idealisten neigen dazu, sich in ihren eigenen Gedanken und Fantasien zu verlieren. Während dies natürlich einerseits kreativ und inspirierend sein kann, fällt es ihnen manchmal auch sehr schwer, das Hier und Jetzt zu genießen und sich den alltäglichen Freuden hinzugeben.
- Harmoniebedürftige Idealisten sind ebenfalls kreativ und warmherzig, reiben sich aber häufig stark an der Härte der Realität, die mit ihren Träumen selten Schritt halten kann. Kombiniert mit ihrem hohen Pflichtbewusstsein kann das einem entspannten Genuss im Weg stehen.
Während einige iPersonic-Typen schon von Natur aus also besser darin sind, die Freuden des Lebens zu erkennen und zu schätzen, müssen andere möglicherweise bewusst daran arbeiten, sich mehr Zeit für Genuss und Entspannung zu nehmen. Für manch einen ist es wirklich beinahe Schwerstarbeit, eine Genuss bejahende Einstellung zu entwickeln, die Überzeugungen wie „ich darf genießen“ oder „ich darf mir das gönnen“ beinhaltet. Tatsächlich gibt es sogar eine Therapieform, die sich mit dem Genießen beschäftigt: die euthyme Therapie. Denn das Nicht-Genießenkönnen ist ein wichtiges Symptom von Depressionen - Psychologen nennen das Anhedonie.
Falls du zu einem unserer weniger von der Natur mit Genussfreude gesegneten Persönlichkeitstypen gehören solltest: Stell im Dienste deiner Glücksbilanz doch mal die kommende Woche gezielt unter das Motto des bewussten Genießens! Dazu brauchst du Selbstreflexion und Achtsamkeit: Überleg dir zunächst, was dir persönlich besonderen Genuss bereitet. Vielleicht machst du dir ja eine Liste für jeden deiner fünf Sinne, die du gern fortlaufend ergänzen kannst: Was isst oder trinkst du besonders gerne, welches Gefühl auf der Haut macht dich glücklich? Welcher ist dein Lieblingsduft; deine Lieblingsmusik? Bei welchem Anblick geht dir das Herz auf?
Gönn dir mit Hilfe dieser Liste dann an jedem Tag dieser Woche einen ganz persönlichen Genussmoment. Nimm diesen ganz aufmerksam und intensiv wahr, lass dich von nichts ablenken, und vor allem: Nimm dir Zeit. Denn:
„Es braucht zu allem ein Entschließen - selbst zum Genießen.“
(Eduard von Bauernfeld)