Persönlichkeits­merkmale und ihr Einfluss auf menschliche Interaktions­kreisläufe



Heute geht es wieder um unterschiedliche Persönlichkeitsstile, dieses Mal liegt der Fokus speziell auf dem Merkmal "extrovertiert" bzw. "introvertiert". Wenn du deinen Typus mit unserem Test bestimmt hast, dann weißt du ja, ob du zu den extrovertierten oder den introvertierten Typen zählst:



Extrovertierte und Introvertierte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Art, mit anderen zu kommunizieren, deutlich voneinander. Extros kommunizieren gerne, viel und mühelos, sie "tragen ihr Herz auf der Zunge". Sie denken oft laut, sprechen Überlegungen aus, ehe sie sie noch zu Ende gedacht haben, und ihnen ist es völlig unverständlich, wie man das, was einen im Innersten bewegt, auch dort verschließen kann. Sie haben kein Problem damit, auch über Persönliches und Privates zu reden, fallen anderen schnell mal ins Wort und halten Schweigepausen meist nicht lange durch. Intros dagegen machen viel mit sich selbst aus, sprechen erst, wenn sie sich sorgfältig überlegt haben, was es zu sagen gibt und ob es sich auch lohnt, es zu sagen. Über ihre intimsten Gedanken verlieren sie sowieso selten ein Wort. Ihr Redetempo ist meist deutlich langsamer als das der Extros und sie antworten auf eine Frage auch nicht unbedingt sofort, sondern erst, wenn sie sie gründlich durchdacht haben. Schweigen empfinden sie nicht als bedrohlich, sondern eher als erholsam; sie springen auch nicht wie viele Extros zwischen verschiedenen Themen hin und her, sondern bringen erst eins zu Ende, ehe sie das nächste anfangen.

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Relativ einfach ist es für uns immer, mit Menschen zu kommunizieren, die ähnlich gestrickt sind wie wir selbst. Bin ich selbst extrovertiert, dann fühle ich mich in der Gesellschaft eines Extrovertierten wohl, denn in seiner flotten, lebhaften und offenen Art erkenne ich mich selbst wieder und kann ihn daher leichter einschätzen. Umgekehrt werde ich mich als Introvertierter leichter mit ebenfalls Introvertierten tun, da sie meine Privatsphäre ebenso respektieren werden wie ich die ihre und ihre Sprechweise der meinen gleicht.

Spannend wird es dann, wenn wir auf Persönlichkeitstypen treffen, die anders gepolt sind als wir selbst. Je nachdem, wie intensiv die Dimension Extro- oder Introversion bei mir und meinem Gegenüber ausgeprägt ist, kann es dann schnell schwierig werden mit der Kommunikation. So haben Extrovertierte oft den Eindruck, Introvertierte seien irgendwie eigenbrötlerisch, verschlossen und nur an sich selbst interessiert. Das wirkt auf die aufgeschlossenen Extros manchmal geradezu unfreundlich und sie fühlen sich zurückgewiesen. Das langsamere Sprechtempo eines Intros und seine Neigung zu längeren Gesprächspausen kann manche Extros regelrecht nervös machen; sie neigen dann dazu, Sätze für das Gegenüber zu beenden oder von einem Thema zum anderen zu wechseln im Versuch, die Unterhaltung irgendwie in Gang zu halten. Fälschlicherweise schätzt so mancher Extro sein introvertiertes Gegenüber auch als ein bisschen "unterbelichtet" oder linkisch ein, wenn er das Gefühl hat, der andere hinke seinen Überlegungen immer zwei Schritte hinterher oder brauche ewig für seine Antworten.

Umgekehrt sind auch Intros manchmal ganz schön genervt von ihren extrovertierten Gesprächspartnern. Aus ihrer Perspektive erscheinen diese oberflächlich, redselig, manchmal geradezu distanzlos und aufdringlich. Ständig müssen sie plappern, über dieses und jenes, alle möglichen Nichtigkeiten und über tausend Dinge, die der Intro niemals von sich erzählt hätte - schon gar nicht nach so kurzer Bekanntschaft! Hinter dieser überschwänglichen Art und dem ununterbrochenen Geschwätz über Unwichtiges kann einfach keine Substanz stecken! Und dann immer diese Unterbrechungen: nie kann man als Intro mal einen Gedanken zu Ende führen oder in Ruhe aussprechen, einfach rücksichtslos, wie einem diese Extros immer in die Parade fahren, kaum, dass man den Mund aufgemacht hat!

Besonders gut eskalieren können diese unterschiedlichen Kommunikationsstile natürlich in Beziehungen, wenn ein Partner eher introvertiert und der andere eher extrovertiert ist. (Übrigens einer der Gründe, warum in unseren "wer passt zu mir?"-Bereichen eher ähnliche Typen miteinander gruppiert werden.) Es ist aber gar nicht so selten, dass ein Extro sich in eine Intra verliebt oder umgekehrt - zumindest am Anfang kann die Unterschiedlichkeit sehr anziehend sein. Probleme gibt es im Alltag dann meist erst später. Dabei können richtige Teufelskreise entstehen, wenn man nicht aufpasst. Ein beliebtes Klischee ist das von der Frau, die dauernd plappert, über alles sprechen will und gekränkt und verärgert ist, wenn der Mann auf ihre Frage, was es tagsüber Neues gegeben habe, mit "nichts" antwortet und die Zeitung aufschlägt. Selbstverständlich gibt es dieses Spielchen auch umgekehrt. Systemische Therapeuten haben die Interaktionsmuster, die dabei zum Tragen kommen, in Interaktionskreisläufen abgebildet, die schön verdeutlichen, wie sich die Sache immer weiter aufschaukelt:
  • Partner 1: ist einsilbig, erzählt wenig, zieht sich öfter mal zurück
  • Partner 2: fühlt sich dadurch unruhig, nervös, macht sich Gedanken, hat den Eindruck, der andere schließe ihn aus seinem Inneren aus, und verhält sich entsprechend: er fragt nach, bohrt nach, wenn er keine oder eine "unbefriedigende" Antwort bekommt, spioniert dem anderen vielleicht sogar nach

  • Partner 1: fühlt sich dadurch unter Druck gesetzt, ausgefragt, verfolgt und wie im Kreuzfeuer, und verhält sich ebenfalls entsprechend: er zieht sich noch weiter zurück, spricht noch weniger, versucht, keine "Angriffsfläche" zu bieten, um seine Privatsphäre zu schützen

  • Partner 2: wird dadurch natürlich noch hektischer, verdoppelt seine Bemühungen, zum anderen "durchzudringen", ihm ein Gespräch abzuringen, mit ihm Zeit zu verbringen, ist jetzt endgültig überzeugt, einem dunklen Geheimnis beim anderen auf der Spur zu sein

  • Partner 1: kommt sich allmählich vor wie ein Opfer der Spanischen Inquisition und versucht, sich vor diesen "Nachstellungen" zu retten ...

Es spielt dabei keine Rolle, wer mit diesem Kreislauf angefangen hat; eine unidirektionale Kausalität gibt es dabei nicht. It always takes two to tango. Der Kreislauf kann an jedem beliebigen Punkt beginnen; und sehr häufig etabliert sich ein solcher Kreislauf gerade zwischen Partnern (oder Freunden), von denen einer eher extrovertiert ist (das wird dann innerhalb des Spiels der "Verfolger") und der andere eher introvertiert (das wird dann der "Gejagte").

Die gute Neuigkeit für dich, wenn du selbst in einem solchen Kreislauf festhängen solltest, ist die: er kann auch an jeder beliebigen Stelle unterbrochen werden! Als Introvertierter solltest du dir klar machen, dass dein(e) extrovertierte(r) Partner(in) vermutlich schreckliche Angst hat, in dir könnten sich irgendwelche abgründigen Gedankengänge abspielen, von denen er/sie nichts weiß, oder du hättest das Interesse an ihr/ihm verloren, weil du nicht (mehr) mit ihr/ihm reden möchtest. Bist du der Extrovertierte, dann sei dir bewusst, dass du deine(n) Partner(in) mit deinem Verhalten immer weiter in die Ecke treibst, aus der du ihn/sie eigentlich herauslocken willst. Erst, wenn du ihr/ihm wieder Zeit und Raum zum Durchatmen lässt, hat sie/er die Chance, von sich aus in ihrem/seinem Tempo wieder auf dich zuzugehen.

Für dich als Introvertierten bedeutet das: spring über deinen Schatten und erkläre deinem/r Partner/in, was du gerade über eure unterschiedlichen Kommunikationsstile gelernt hast und dass es nichts gibt, was sie beunruhigen muss, nur weil du weniger redest als er/sie. Und sucht gemeinsam nach Möglichkeiten, wie er/sie sein/ihr größeres Kommunikationsbedürfnis noch anderweitig befriedigen kann - du allein bist damit einfach überfordert. Für dich als Extrovertierten heißt es: auch wenn es schwer fällt, halte dich zurück und warte ab, bis dein Partner von sich aus auf dich zukommt. Lass ihm ein bisschen mehr Freiraum und trainiere deine Gelassenheit! Es gibt sicher auch noch andere Menschen in deinem Umfeld, mit denen du über Gott und die Welt reden kannst. Und nimm seine Zurückhaltung nicht immer so persönlich - sie ist nicht gegen dich gerichtet, sondern Ausdruck seines individuellen Stils.

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