Drum prüfe, wer sich ewig bindet ...



Gerade habe ich damit angefangen, die nächsten iPersonic-Ratgebern zu bearbeiten - nach dem Job soll es diesmal um Liebe und Partnerschaft gehen. Eigentlich mein Lieblingsthema, wenn ich ehrlich bin. Menschliche Beziehungen sind einfach immer wieder spannend, finde ich; gelingende ebenso wie misslingende. Warum wählen wir diesen und keinen anderen Partner, warum bleiben wir mit jemandem zusammen, der uns eigentlich nicht glücklich macht, warum stoßen wir in mehreren aufeinander folgenden Beziehungen immer wieder auf dieselben Probleme, obwohl wir sie doch mit anderen Partner führen?

Eine mögliche Antwort auf die letzte Frage findet sich in der so genannten Bindungstheorie von John Bowlby, einem englischen Kinderpsychiater. Anfang der 70er Jahre bewies er, dass jeder Mensch ein biologisch angelegtes Bindungssystem hat. Das ist notwenig für das Überleben, denn ein Baby kann sich noch nicht selbst versorgen. Also ist es auf eine Bezugsperson angewiesen, die es füttert und beschützt. Sein Schreien ist ein Signal, dass es Fürsorge braucht - und aktiviert in der Mutter den entsprechenden Impuls. Diese ersten Erfahrungen mit Beziehung prägen uns ein Leben lang viel stärker, als uns in der Regel bewusst ist. Denn natürlich klappt die Interaktion zwischen Mutter und Kind manchmal besser und manchmal schlechter: Manche Mütter sind besonders gut darin, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erspüren und halten die Balance zwischen Umsorgen und Loslassen sehr gut. Andere - denen es vielleicht selbst nicht gut geht - achten weniger gut auf die Signale des Kindes und deuten diese öfter falsch. Und natürlich gibt es leider auch Kinder, die in sehr unguten Umständen vernachlässigt oder gar misshandelt aufwachsen müssen. Diese frühen Bindungserfahrungen sind für immer in unserer rechten Gehirnhälfte verankert und bestimmen wesentlich mit, wie wir auf eigene und fremde Gefühle reagieren und damit unsere Beziehungen gestalten. Es gibt mittlerweile sogar Forscher, die noch einen Schritt weiter zurückgehen und behaupten: Kinder, die unerwünscht oder ungeplant empfangen werden, spüren das während der Schwangerschaft, und selbst diese vorgeburtliche Information spiegelt sich später in ihrem Beziehungsverhalten wider.

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Wir konzentrieren uns heute aber auf die Zeit nach der Geburt und die ersten Lebensjahre. Bowlby und seiner kanadischen Kollegin Mary Ainsworth gelang es, in umfangreichen Feldstudien, verschiedene Bindungsstile nachzuweisen, die sich immer dann gut zeigten, wenn die Mutter sich vom Kind entfernte. Sie gingen davon aus, dass Kinder ab etwa einem Jahr in neuen oder bedrohlichen Situationen mittels bestimmter Verhaltensweisen (z. B. weinen, rufen, sich festklammern, hinterherlaufen) versuchen, ihre wichtigste Bezugsperson (das kann die Mutter, aber auch ein anderer Erwachsener sein) dazu zu bewegen, in ihrer Nähe zu bleiben, damit sie sich sicher fühlen können. In einer solchen Situation ist das Kind an seiner Umgebung und eventuell vorhandenen Spielmöglichkeiten nicht interessiert. Ist das Kind dagegen entspannt und befindet sich in einer ihm vertrauten Situation, kann es sich verstärkt mit seinem Umfeld auseinandersetzen, es auskundschaften, spielen und dabei Neues lernen.

Im besten Fall entwickelt das Kind in den erste Lebensjahren einen „sicheren Bindungsstil“. Dieser zeigt sich im Experiment darin, dass das Kind in einer fremden Umgebung zwar immer wieder nachschaut, ob die Mutter noch in der Nähe ist, aber dann auch wieder neugierig seine Umgebung erkundet - bis es wieder überprüft, ob Mami noch in Reichweite ist. Geht die Mutter aus dem Raum und beginnt das Kind zu weinen, lässt es sich nach der Rückkehr der Mutter doch schnell wieder von ihr beruhigen. So ein „sicherer Bindungsstil“ entsteht dann, wenn die Mutter verlässlich und einfühlsam auf die Signale ihres Kindes reagiert, es also z. B. tröstet, wenn es weint, es aber wieder alleine weiter spielen lässt, wenn es Interesse daran zeigt. Das ist also der Idealfall, der später auch gelingende Bindungen im Erwachsenenalter begünstigt.

Manche Mütter aber reagierten unberechenbarer auf die Kinder: Je nach ihrer eigenen Verfassung gingen sie einmal feinfühlig auf das Kind ein, einmal ignorierten sie es eher, wenn es z. B. weinte, also Kontakt suchte. Diese Kinder konnten sich also nicht so auf ihre Mutter verlassen, wie die erste Gruppe. In der Experimentalsituation trauten solche Kinder sich kaum, sich den vorhandenen Spielsachen zu widmen, reagierten mit besonderem Stress, wenn die Mutter aus dem Zimmer ging und klammerten sich nach ihrer Rückkehr extrem an sie. Gleichzeitig zeigten sie aber auch Wut und Ärger auf ihre Mutter - daher nannten die Forscher diesen Bindungsstil den „unsicher-ambivalenten Stil“. Studien zeigen, dass dieses Muster sich in den erwachsenen Beziehungen der Kinder wieder finden lässt: Sie haben Schwierigkeiten, sich für einen Partner zu entscheiden, schwanken zwischen ja und nein hin und her und zweifeln häufiger an ihrer Partnerschaft als die sicher gebundenen Kinder. Das Bindungsmuster aus der Kindheit - „Ich würde dir gern trauen, aber ich bin nicht sicher, ob ich es kann!“ - wird aktiviert.

Eine dritte Gruppe von Müttern fiel dadurch auf, dass sie Körperkontakt mit den Kindern eher vermieden und in für das Kind belastenden Situationen nicht mit mehr Zuwendung reagierten. Sie hielten ihre Kinder mehr auf Distanz als die anderen Mütter, nahmen das Kind beispielsweise nicht auf den Schoß, wenn es weinte. Oder die Mutter merkte nicht, dass das Kind schon längst wieder von ihrem Schoß herunter wollte und hielt es gegen seinen Willen fest - reagierte also wieder nicht angemessen auf die Signale des Kindes. Im Verhalten dieser Kinder zeigte sich, dass sie sich auffallend für ihre Umgebung interessierten, von der Mutter wenig Notiz nahmen und von sich aus viel seltener Blick- oder Körperkontakt mit ihr suchten. Offenbar hatten sie sich aufgrund der Erfahrungen, die sie mit ihren Müttern gemacht hatten, abgewöhnt, von diesen hilfreiche Reaktionen auf ihre Bedürfnisse zu erwarten. Diesen Bindungsstil tauften die Forscher den „unsicher-vermeidenden Stil“. Sowohl die Kinder dieses als auch die des „unsicher-ambivalenten“ Stils waren schlechter von der Mutter zu beruhigen, als sicher gebundene Kinder. Im späteren Erwachsenenleben zeigt sich der unsicher-vermeidende Stil oft darin, dass man sich schwer tut, sich überhaupt auf eine Beziehung einzulassen oder immer dann, wenn Nähe in der Partnerschaft entsteht, den Partner von sich wegstößt. Hier lautet das Bindungsmuster aus der Kindheit: „Du wirst mich ohnehin enttäuschen - da schiebe ich dich lieber weg!“

Ein vierter Bindungsstil wurde erst in den 80er Jahren von Main & Solomon entdeckt; sie nannten ihn "desorganisierte" Bindung. Kinder dieses Stils führten begonnenes Verhalten manchmal nicht zu Ende oder zeigten gleichzeitig widersprüchliches Verhalten (z. B. rannten sie zwar auf die zurückkommende Mutter zu, blieben aber dann wie erstarrt stehen und vermieden deren Blick). Dieser Stil ist derjenige, der es den Erwachsenen später am schwersten macht, Bindungen einzugehen. Er entsteht dann, wenn das Kind in einer hoch problematischen Familie aufwächst, z. B. sexuellem Missbrauch, Misshandlung oder extremer Vernachlässigung ausgesetzt war. Vermutlich resultiert er aus der Zwickmühle, in der das Kind sich befand, wenn der Erwachsene, der eigentlich Schutz geben sollte, gleichzeitig Angst einflößte. Solche Traumata sind nur schwer zu überwinden, denn diese Kinder haben kaum eine Möglichkeit, Vorstellungen davon zu entwickeln, wie Beziehungen funktionieren können. Sie entwickeln das Bindungsmuster: „Ich kann niemandem trauen - das ist viel zu gefährlich!“

Besonders teuflisch an den alten Bindungsmustern aus der Kindheit, die in Partnerschaften wieder aktiviert werden, ist: Sie funktionieren als eine Art „sich selbst erfüllender Prophezeiung“ . Eine Studie zeigte nämlich, dass bindungsängstliche Menschen ihre Beziehung im Alltag als deutlich konfliktreicher beurteilen als Menschen mit sicherem Bindungsstil. Sie gehen davon aus, dass ihr Partner das genauso sieht (was meist nicht stimmt) und sie sind sehr auf alles Negative innerhalb der Beziehung fixiert - positive Signale des Partners wie Hilfe und Zuwendung registrieren sie erheblich weniger. Dadurch erscheinen ihnen die Konflikte in der Partnerschaft als weit dramatischer, als diese in der Regel sind. Tragischerweise reagieren sie dann natürlich sehr gestresst auf sie, viel gestresster, als es dem Anlass angemessen wäre, und zeigen aggressives, anklagendes oder vorwurfsvolles Verhalten, das der Partner kaum beruhigen kann - und provozieren dadurch erst die Probleme, vor denen sie sich so sehr fürchten ...

Die gute Neuigkeit ist aber, dass Bindungsstile zwar tief in uns eingegraben sind, aber zum Glück nicht unveränderlich. Nur - leider! - braucht es wieder mal einiges an Arbeit dafür! Der erste wichtige Schritt ist es, sich mal ehrlich selbst die Frage zu beantworten, ob man in mehreren wichtigen Beziehungen immer wieder dieselben (negativen) Erfahrungen gemacht hat. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass man in diesen Beziehungen immer ein bestimmtes ungünstiges Muster auslebt. Und dann kann man ziemlich sicher sein, dass man den Partner oder die Partnerin so oft wechseln kann, wie man will: das Muster wird sich immer wieder durchsetzen. Eine Therapie kann dabei helfen, sich dieses Muster und seine Entstehung bewusst zu machen und Schritt für Schritt anstelle des destruktiven Musters ein neues, hilfreicheres zu erlernen. Ganz gut merkt man auch, dass „alte“ Erfahrungen aktiviert werden, wenn man es mitten in einer kritischen Situation schafft, sich für einen Augenblick zu fragen: „Wie alt bin ich gerade eigentlich innerlich?“ Ganz spontan drängt sich einem dann manchmal ein Alter auf - und oft ist es ein sehr kindliches Ich, das da gerade die Zügel in der Hand hat. Das ist natürlich schwierig, wenn man gerade sehr aufgewühlt ist, aber zumindest im Nachhinein kann man sich ja mal die Frage stellen, ob man vielleicht gerade so heftig reagiert hat, weil die aktuelle Situation das erfordert hat - oder ob einem da mal wieder eine „alte“, verinnerlichte Erfahrung dazwischen gefunkt hat, die durch den gegenwärtigen Konflikt an die Oberfläche gezerrt wurde. Merkt man, dass einem das häufig in Beziehungen passiert .. dann ist es ganz bestimmt nützlich, sich das mal genauer anzuschauen. Denn wie gesagt: den Partner kann ich austauschen, aber meine Vergangenheit und ihre Muster nehme ich in jede neue Beziehung immer mit!

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