Richtig zuhören, besser verstehen



Erinnerst du dich noch an den Blogeintrag zu den vier Seiten einer Nachricht? Vielleicht hast du ja auch schon herausgefunden, auf welchem der vier „Ohren“ du selbst am besten hörst? Oder welche der vier Seiten dir am wichtigsten ist, wenn du selbst eine Nachricht „sendest“?

Heute wollen wir uns ein bisschen genauer anschauen, welche Konsequenzen es jeweils haben kann, wenn man vorzugsweise auf einem der vier Ohren hört. Je nachdem, welches der vier Ohren das ist, kann man nämlich in Beziehungen zu anderen wunderbar aneinander vorbei kommunizieren und im schlimmsten Fall auch von einem Streit in den nächsten schlittern. Umgekehrt kann es (vor allem in Liebesbeziehungen, aber auch im ganz normalen zwischenmenschlichen Alltag) sehr hilfreich sein, speziell eins der vier Ohren ganz bewusst mehr in den Vordergrund zu rücken.

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Fangen wir mit dem „Sachohr“ an, also dem, das sich vor allem mit den reinen Fakten, die übermittelt werden, beschäftigt. Ihm geht es darum, den Sachverhalt in allen Einzelheiten zu verstehen, mögliche Ursachen dafür zu begreifen und eventuelle Folgen abzuleiten. Friedemann Schulz von Thun (der das Vier-Seiten-Modell entwickelt hat) selbst schreibt, dass „vor allem Männer und Akademiker“ sich gerne auf diese Seite der Nachricht stürzen und die anderen drei Seiten außer Acht lassen. Manche Kommunikationstheoretiker nennen dieses Ohr auch etwas spöttisch das „Anwaltsohr“. Das Anwaltsohr kann prima funktionieren, wenn das Problem, über das da gesprochen wird, tatsächlich auf der Sachebene liegt (wenn z. B. deine Waschmaschine kaputt ist und du dich mit dem Mechaniker über eine mögliche Reparatur einigen willst), führt aber zu manchmal geradezu grotesken Dialogverzerrungen, wenn das eigentliche Problem in Wirklichkeit eher auf der zwischenmenschlichen Ebene zu suchen ist. In Liebesbeziehungen ist ein fabelhaftes Beispiel dafür die beliebte weibliche Frage an den Partner: „Findest du mich zu dick?“ Jeder Mann, der sich ihr jemals gegenüber sah, weiß, dass er mit Antworten auf der Sachebene (Body-Mass-Index-Zahlen, Kleidergrößen, Statistiken sonstiger Art usw.) jetzt nur verlieren kann. Wer es jetzt nicht schafft, blitzschnell auf die Appellebene („sag mir, dass du mich liebst und dass ich für dich die attraktivste Frau im Universum bin!!!!“) zu springen und überzeugend auf ihr zu reagieren, hat keinen harmonischen Abend vor sich.

Ebenfalls nicht ganz ungefährlich: Das „Beziehungsohr“. Das Risiko, das es in sich birgt, ist die Tatsache, dass wir uns persönlich besonders betroffen - und leider auch schnell angegriffen - fühlen, wenn wir auf ihm hören. Das Beziehungsohr möchte vor allem wissen, wie der andere zu mir steht, was er von mir hält, wie ich mich vom anderen behandelt fühle. Da passiert es, wenn es zu groß wird, schnell, dass wir Dinge auf uns beziehen und persönlich nehmen, die vielleicht gar nicht so gemeint sind. Wer vor allem auf diesem Ohr hört, läuft Gefahr, die Sachebene gar nicht groß zu beachten und sich ausschließlich auf die Beziehungsseite der Nachricht zu konzentrieren. Und irgendwann hört er dann das Gras wachsen und die Flöhe husten und liegt innerlich ständig auf der Lauer, ob in dem, was da gesagt wurde, nicht vielleicht an Angriff auf ihn, eine Schuldzuweisung, eine Kritik oder gar Ablehnung steckt. Deshalb nennt man dieses Ohr gelegentlich auch das „Selbstverteidiger-Ohr“, denn es macht schnell überempfindlich und drängt einen in die dauernde Rechtfertigungsecke anderen gegenüber: „Nein, danke, ich möchte wirklich kein Stück Kuchen mehr!“ - „Ich hab ja gleich gewusst, dass es dir bei mir nicht schmecken würde, wir hätten ins Café gehen sollen! Ich bin einfach eine miserable Köchin!“

Ähnliche Schwierigkeiten kann man bekommen, wenn man ein ausgesprochener „Appellohr-Hörer“ ist. Das Appellohr könnte man scherzhaft auch als das „Gute-Samariter-Ohr“ bezeichnen. Wer vor allem damit hört, der ist ständig auf dem Sprung zu erraten, was andere vielleicht von ihm erwarten könnten - hinsichtlich seiner Gedanken, Gefühle oder Taten. Und in den meisten Fällen ist diese Person dann auch von dem dringenden Wunsch beseelt, all diesen Erwartungen zu entsprechen und es allen recht zu machen. (Nein-Sagen ist für diese Menschen eine ganz schwierige Angelegenheit, wie du dir vorstellen kannst!) Das führt dann dazu, dass die Person dauernd die Bedürfnisse und Wünsche anderer über die eigenen stellt und sich häufig Aufgaben auflädt, die ihr eigentlich niemand zugewiesen hat - sozusagen im vorauseilenden Gehorsam. Irgendwann verlernt sie es völlig, auch mal nach innen zu horchen und sich zu fragen, was sie selbst eigentlich will und braucht, so sehr ist sie auf die Umwelt orientiert. Wir Frauen tragen oft den schwarzen Gürtel im Appellohr-Hören! Manche Psychologen behaupten, das sei evolutionär mit bedingt: Ein Neugeborenes kann nicht sagen, ob es Hunger hat, müde ist oder Schmerzen hat - die Mutter muss erahnen, warum es schreit. Sicher eine sinnvolle Einrichtung, aber wenn sie dahingehend generalisiert, dass man beim Satz des erwachsenen und gehfähigen Herzallerliebsten: „Ist noch Bier im Kühlschrank?“ jedes Mal sofort aufspringt und im Losflitzen ruft: „Nein, aber ich hol dir gleich welches aus dem Keller!“, dann ist da doch etwas ein bisschen außer Kontrolle geraten ...

Last but not least: das „Selbstoffenbarungsohr“. Dieses Ohr kann sehr nützlich sein, wenn man es richtig einzusetzen weiß. Es hört darauf, was der andere mit dem Gesagten über sich selbst mitteilt: Wie geht es ihm, wie ist ihm zumute, was ist los mit ihm, was ist er überhaupt für ein Mensch? Es bietet eine Menge Chancen im Beziehungsalltag, aufkeimende Konflikte in einem ganz frühen Stadium geschickt auszuhebeln und gar nicht erst zum Streit anwachsen zu lassen. Wenn es dem Ehemann gelingt, in der Frage seiner Frau: „Findest du mich zu dick?“ den Selbstoffenbarungsanteil zu hören („ich fühle mich unsicher, ich brauche Bestätigung von dir, ich bin mit meinem Aussehen selbst gerade unzufrieden“), dann fällt es ihm auch leichter, zugewandt und positiv zu reagieren. Ansonsten ist er vielleicht einfach nur genervt und verdreht die Augen, weil er sowieso nicht versteht, warum Frauen dauernd über ihre Figur reden müssen. Wenn mein Partner abends nach Hause kommt und als erstes losschimpft wie ein Wilder, weil ich am Auto das Licht habe brennen lassen, dann hilft es mir unter Umständen, mir klar zu machen, dass er vermutlich einen blöden Tag im Job hinter sich hat, wenn er sich über eine Bagatelle so aufregen muss. Und möglicherweise schaffe ich es ja dann, nicht gleich zurückzukeifen, sondern gelassener zu reagieren. In dieser Hinsicht kann das Selbstoffenbarungsohr so manchen Krach vermeiden helfen. Allzu viel ist allerdings auch hier ungesund. Manche Menschen übertreiben es mit diesem Ohr dermaßen, dass von ihnen alles abprallt, was andere ihnen als Feedback zukommen lassen. Denn es ist natürlich sehr bequem, aber auch wenig sinnvoll, sich auf den Standpunkt zurückzuziehen: „Wenn der sagt, dass ich arrogant bin, dann liegt das nur daran, dass der selbst so ein unsicherer Typ ist!“ Und gänzlich kontraproduktiv wird es, wenn man den Selbstoffenbarungsanteil in Auseinandersetzungen als Waffe benutzt, um den anderen irgendwie zu entlarven und bloßzustellen und seine Argumentation zu unterlaufen: „Du regst dich bloß deshalb über meine rumliegenden Socken auf, weil du aus so einer zwanghaften Familie stammst! Deine Mutter ist genauso!“

Jedes Ohr ist wichtig und nützlich, so lange es nicht im Übermaß benutzt wird. Gerade das letzte, das Selbstoffenbarungsohr, kann aber bei vielen Menschen ein bisschen Training gut vertragen. Und zwar dadurch, dass man sich selbst bemüht, sich nicht-wertend in die Gefühls- und Gedankenwelt des anderen einzufühlen. (Das Schwierige daran ist vor allem das „nicht-wertend“, das wirst du merken, wenn du es mal bewusst ausprobierst!) Ein indianisches Sprichwort lautet: „Urteile nicht über einen Menschen, bevor du nicht einen Tag in seinen Mokassins gegangen bist.“ Darum geht es - die Welt des anderen verstehen, sie so weit wie möglich mit seinen Augen sehen. Eine gute Methode (neben der Sache mit den Mokassins!) ist dafür das so genannte Aktive Zuhören. Wenn du Lust hast, kannst du das ja mal ein bisschen üben:
  • Lass den anderen ausreden! (Auch wenn er vielleicht langatmig ist oder du dich in irgend einer Weise angegriffen fühlst!)

  • Unterdrücke spontane eigene Meinungsäußerungen! (Eine ganz schwierige Sache, vor allem für impulsive, extrovertierte Typen! Den Mund zu halten, wenn einem etwas auf der Zunge brennt und man gleich zu platzen meint, das ist eine echte Kunst!)

  • Zeig, während der andere spricht, hörbar und sichtbar Aufmerksamkeit! (Dabei sind Zuhörfloskeln - „hmhm“, „aha“, „ach“ und dergleichen - erlaubt, noch wichtiger sind aber das aktive Zuwenden mit dem ganzen Körper, Augenkontakt und nonverbale Signale, z. B. Nicken oder eine leicht zum anderen geneigte Körperhaltung)

  • Gib mit eigenen Worten wieder, was du gehört hast! („Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass ...“ - „Du meinst also, dass ...“ So bekommt der andere die Gelegenheit, etwaige Missverständnisse gleich zu korrigieren. Außerdem merkt er, dass du ganz bei ihm und seinem Anliegen bist - vielleicht der wichtigste Faktor für eine gelungene Kommunikation.)

  • Fass in Worte, was aus deiner Sicht gefühlsmäßig mitschwingt! („Ich habe den Eindruck, dass du unheimlich wütend bist.“ - „Du wirkst sehr traurig auf mich, wenn du das so erzählst.“ Auch das hilft, Missverständnisse zu vermeiden und signalisiert dem anderen, dass du wirklich an ihm interessiert bist. Achte aber auf die „ich“-Formulierung - du gibst nur deinen Eindruck wieder, keine unumstößliche Wahrheit!)

Klingt einfach, wenn man es so liest - ist aber im Alltag, vor allem dann, wenn man selbst emotional betroffen ist, gar nicht so leicht umzusetzen. Lohnt sich aber wirklich - ich übe das in Paarseminaren gerne mit den TeilnehmerInnen, und es ist erstaunlich, was das oft alles an Veränderungen in Gang setzt. Natürlich nur, wenn es ernst gemeint und von ehrlichem Bemühen gekennzeichnet ist und der andere nicht das Gefühl bekommt, er wird jetzt veralbert oder ironisiert. Probiere es aus, wenn du magst!

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt." (Mahatma Gandhi)

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