Liebe dich selbst ...



... und es ist egal, wen Du heiratest!" lautet der zugegebenermaßen recht provokante Titel eines Ratgebers von Eva-Maria Zurhorst. Das Buch ist seit seinem Erscheinen nicht unumstritten - vor allem wegen seines starken spirituell-religiösen Anteils - aber eine Studie der Carnegie Mellon University scheint zumindest den Grundgedanken des Titels weiter zu untermauern.
 
Steven Graham, Psychologieprofessor, ließ 70 Studierende einen Selbstwertfragebogen ausfüllen. Anschließend mussten die Versuchspersonen möglichst schnell vorgegebene positive und negative Persönlichkeitseigenschaften zuordnen: im ersten Durchgang mussten sie immer dann auf einen Knopf drücken, wenn der vorgegebene Begriff auf einen Zimmergenossen zutraf, im zweiten Durchgang immer dann, wenn die Eigenschaft auf ihren Computer passte. Vor diesem Experiment hatte Graham mittels eines Fragebogens das Selbstwertgefühl der Studierenden erfasst. Und siehe da: Studenten mit einem niedrigen Selbstwertgefühl brauchten deutlich mehr Zeit, um den Zimmergenossen die Eigenschaften zuzuordnen. Beim Computer fiel es ihnen dagegen leicht.

Graham schloss aus dieser (und einer weiteren Studie), dass Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl eher zu Schwarz-Weiß-Denken neigen, d. h. dass es ihnen schwer fällt, Gutes und Schlechtes gleichzeitig wahrzunehmen. Entsprechend verhalten sie sich in Partnerschaften. Sie sind sehr viel abhängiger von der momentanen Situation und dem aktuellen Verhalten des Partners: Gibt es Streit, oder ist der Partner an einem Tag mal schlecht gelaunt, so sehen sie schnell das Ende der Beziehung gekommen, weil sie die positiven Aspekte der Partnerschaft gleichsam kurzfristig komplett aus den Augen verlieren. Entsprechend neigen sie dazu, den Partner an einem Tag in den Himmel zu heben  und am nächsten wiederum unmöglich zu finden. Personen dagegen, die einen gut ausgeprägten Selbstwert haben, reagieren auf normale Auseinandersetzungen und Schwankungen in der Beziehung gelassener, da sie positive und negative Seiten des anderen gleichermaßen im Blick behalten können.

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Nichts Neues eigentlich für Paartherapeuten. Es gibt viele Gründe, warum Menschen in ihrer Kindheit kein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln können, und immer schon gab es solche, die diesen Mangel ausglichen, indem sie sich selbst durch die Beziehung zu einer als positiv gesehenen Person aufwerteten. Friedrich Rückert hat das mal in einem Gedicht mit dem Satz beschrieben: "Dass du mich liebst, macht mich mir wert!" Leider gilt dann eben auch das Umgekehrte: Wenn du mich nicht mehr liebst - oder ich zumindest den Eindruck habe, dass du mich nicht mehr liebst - dann bin ich mir selbst auch nichts mehr wert. Die Extremform findet sich in der so genannten dependenten Persönlichkeitsstörung, in der Menschen von einer Abhängigkeitsbeziehung in die nächste wechseln.

Wenn man selbst also häufig zum "Katastrophendenken" in der Beziehung neigt, beim kleinsten Krach in Panik verfällt, der oder die andere könnte einen verlassen, oder wenn man den Partner in raschem Wechsel mal ganz toll und dann mal wieder unerträglich findet, dann lohnt es sich schon, sich die Frage nach dem eigenen Selbstwertgefühl zu stellen. Vielleicht spielt das ja bei dem Geschehen in der Beziehung sogar eine größere Rolle, als das Verhalten des anderen?

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