Sozialkontakte entrümpeln - Lebensenergie gewinnen



Der Jahreswechsel ist ja, wie ich finde, immer eine gute Zeit, um Dinge abzuschließen, aufzuräumen, auszusortieren und Platz für Neues zu schaffen. Ich selber mache das auch besonders um diese Zeit sehr gerne, sei es nun ganz konkret (endlich die Teile in die Altkleidersammlung verabschieden zum Beispiel, die zwar „eigentlich noch gut“ sind, von denen ich aber weiß, dass ich sie trotzdem ganz bestimmt nicht mehr anziehen werde), oder auch eher im übertragenen Sinne. Mein Adressbuch zum Beispiel.

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich stelle fest, dass ich mit zunehmendem Alter immer weniger bereit bin, Menschen in meinem Leben zu dulden, die man vielleicht am ehesten als „Energiefresser“ bezeichnen könnte: solche Zeitgenossen nämlich, bei denen ich mich nach einer Begegnung in erster Linie ausgelaugt, bestenfalls gelangweilt, oft auch unzufrieden oder sogar richtig aggressiv fühle. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich heute weniger sorglos und großzügig mit meinen Ressourcen an Zeit und Kraft umgehe als früher? Oder vielleicht werde ich mit den Jahren auch einfach immer wählerischer, was Freunde und Bekannte angeht? Jedenfalls habe ich auch dieses Jahr wieder zwei Namen, Adressen und Telefonnummern aus meinem Adressbuch gelöscht, weil ich beim Durchblättern spontan dachte: „Die hab ich jetzt echt das ganze Jahr über nicht angerufen, und zwar aus gutem Grund. Dabei belasse ich es auch am besten!“

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Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich mir solche Ausmistaktionen in meinem sozialen Umfeld überhaupt zugestanden habe. Wie die meisten Frauen bemühe ich mich eigentlich immer, möglichst „nett“ zu allen zu sein, niemandem unnötig auf die Füße zu treten, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Was ja auch in den meisten Fällen ganz gut und richtig ist. Leider gibt es halt aber auch immer mal Zeitgenossen, bei denen man sich entscheiden muss, ob man nun zu denen nett sein will - oder doch lieber zu sich selbst. Dass wir es mit so jemandem zu tun haben, merken wir vor allem daran, dass wir uns nach einem Treffen oder einem Telefonat mit der Person nicht gut gelaunt und im besten Fall auch energiegeladener als vorher fühlen, sondern eher im Gegenteil. Wenn wir schon beim Anblick der Nummer im Display diesen winzigen Moment zögern, während wir überlegen, ob wir jetzt rangehen oder die Mobilbox anspringen lassen. Wenn wir als ersten Impuls Erleichterung statt Enttäuschung spüren, wenn die geplante Verabredung kurzfristig abgesagt wird. Dann sollten wir uns unbedingt überlegen, ob die Beziehung uns eigentlich noch gut tut.

Oft ist es dann z. B. so, dass ein Ungleichgewicht in irgendeiner Hinsicht besteht, wir beispielsweise das Gefühl haben, ständig mehr in die Beziehung zu investieren als der andere. Oder wir stellen fest, dass wir uns einfach zu weit auseinandergelebt haben - das passiert selbst besten Freundinnen gelegentlich, vor allem, wenn die Lebensentwürfe oder -verläufe sehr unterschiedlich sind. Auf jeden Fall ist es dann Zeit für ein klärendes Gespräch - manchmal ist so ein Zustand ja behebbar und die Beziehung kann sich auf einem anderen Level wieder neu einpendeln. Beenden sollte man die Beziehung dann, wenn eine Veränderung zum Positiven nicht möglich ist, weder jetzt noch in Zukunft. Manchmal reicht es durchaus auch, eine Beziehung für eine gewisse Zeit „auf Eis“ zu legen und nach einer Weile kann man dann versuchen, wieder eine neue Basis miteinander zu finden. Das passiert z. B. oft zwischen Frauen, von denen die eine in der Phase der Familiengründung steckt und die andere mit Kindern gerade gar nichts am Hut hat - oder, noch schlimmer, trotz allen Bemühens nicht schwanger wird. Irgendwann später, wenn die stürmischen Jahre mit den Kindern vorbei sind, kann man dann vielleicht wieder zueinander finden. Aber für den Moment ist eine „Sendepause“ dann vielleicht die bessere Wahl - und vielleicht sogar eine notwendige Voraussetzung für eine spätere Wiederannäherung.

Um das klarzustellen: Ich rede hier nicht von Menschen, in unserem Umfeld, die vorübergehend - aus welchen Gründen auch immer - in schwierigen Lebenssituationen stecken und deswegen auch vielleicht nicht unbedingt ständig gute Laune um sich versprühen können. Oder von Menschen, die in irgendeiner Form gerade hilfsbedürftig sind und deswegen mehr unserer Hilfe bedürfen als wir ihrer. Auch wenn die Beziehung zu ihnen uns dadurch vielleicht mehr Energie kostet, als wir zurückbekommen - für eine bestimmte Zeit ist das vollkommen in Ordnung so, dafür sind Freunde schließlich da. Das Problem sind nur Menschen, mit denen sich die Beziehung dauerhaft in Schieflage befindet und bei denen auch keine Aussicht auf eine Korrektur dieser Schieflage besteht.

Bei eher losen Beziehungen kann man sich - wenn man zu dem Schluss kommt, dass man sie nicht länger fortführen möchte - in so einem Fall dafür entscheiden, sie einfach ohne großes Trara im Sande verlaufen zu lassen. Das ist natürlich nicht so super ehrlich dem anderen gegenüber, aber es fällt ein bisschen in die Kategorie „White lies“: Lügen (bzw. in diesem Fall das Nicht-Aussprechen einer Wahrheit) aus einer guter Absicht heraus, um den anderen nicht unnötig zu verletzen. Handelt es sich um eine eher engere und vielleicht sogar langjährige Beziehung, die man beenden möchte, wird man früher oder später aber nicht um ein offenes Wort herumkommen, schon aus Fairnessgründen. Wenn man sich aus solchen Beziehungen einfach ohne Erklärung zurückzieht, bleibt sonst oft etwas wie ein „loses Ende“ im Raum hängen, das keinem der Beteiligten wirklich gut tut. Der andere hat ein Recht darauf zu erfahren, warum wir nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen - nur so hat er ja auch unter Umständen die Chance, an seinem (in unseren Augen) beziehungs-untauglichen Verhalten etwas zu ändern.

Je mehr Emotionen in einer Beziehung im Spiel sind, desto weniger ist es in Ordnung, sich einfach davonzuschleichen. Manchmal ist dieses „Ausschleichen“ von Beziehungen aber auch eine Art Probelauf: man experimentiert dann quasi mit länger werdenden Phasen der vorläufigen und inoffiziellen Trennung herum, um zu überprüfen, ob und was man aneinander vielleicht vermissen würde. Unter Umständen fällt einem dabei dann ja tatsächlich etwas auf, was die Beziehung doch fortführenswert macht. Auch das ist mir schon mit einer langjährigen Freundin so passiert, und heute bin ich froh darüber, dass unser Kontakt weiter besteht.

So oder so muss man aber als derjenige, der die Initiative bei einer möglichen Beendigung der Beziehung ergreift, immer damit rechnen, dass der andere unter Umständen wütend, gekränkt oder traurig reagiert. Das ist auch dessen gutes Recht, das muss man auch aushalten. Eine Trennung ganz ohne Schmerzen kann man nur dort erwarten, wo beide Beteiligten übereinstimmend und gleichzeitig zu dem Schluss kommen, dass sie ohne die Beziehung besser dran wären - nur dann bleibt nicht zumindest einer mit dem Gefühl eines Verlusts zurück. Das ist leider ziemlich selten der Fall, egal, ob es sich um eine Freundschaft oder eine Liebesbeziehung handelt. Man sollte aber bei der Begründung der Trennung immer so sanft wie möglich vorgehen - zwar ehrlich genug, um klarzumachen, dass die Entscheidung endgültig ist, aber nicht brutal. Es ist in Ordnung, jemandem zu sagen: „Du, ich glaube, wir haben einfach nicht mehr so viele Interessen und Themen gemeinsam wie früher; uns verbindet nicht mehr viel.“ Es ist aber völlig unnötig, jemanden persönlich zu beleidigen à la: „Mit dir kann man sich ja nur noch langweilen!“

Trotzdem es nicht einfach ist: ich kann dieses regelmäßige Überprüfen der eigenen Sozialkontakte wirklich nur jedem empfehlen. Erstens stimmt der alte Spruch: „Wer los lässt, hat die Hände frei.“ Sich von Altem zu verabschieden, was nicht mehr zu einem passt, ist die wesentlichste Voraussetzung dafür, dass Neues entstehen kann. So, wie wir ab und zu unseren Keller oder die Festplatte unseres Computers oder unseren Kleiderschrank entrümpeln müssen, um Platz für Neues zu schaffen und uns von unnötigem Ballast zu befreien, so müssen wir auch mit unseren sozialen Beziehungen umgehen. Und zweitens ist „Trennungskompetenz“, wie Psychologen das gern nennen, eine ganz wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Lebenskompetenz überhaupt. Denn letzten Endes besteht unser ganzes Leben aus einer Reihe von großen und kleinen Abschieden - von Dingen, Menschen, Situationen, Fähigkeiten, Orten und, und, und. Und letzten Endes dem großen Abschied vom Leben überhaupt. Deswegen machen uns Trennungen auch oft Angst: weil das Bekannte, auch wenn es uns vielleicht nicht hundertprozentig zufrieden stellt, in der Regel weniger furchteinflößend wirkt als das Neue, Unbekannte. Aber natürlich ist es genau deshalb auch wichtig, diese Angst zu überwinden und für sich selbst einen guten Weg zu finden, mit dem ständigen Wandel und Wechsel, dem unser Leben ohnehin unterworfen ist, umzugehen. „Alles fließt“ stimmt nun mal auch im Hinblick auf soziale Beziehungen. Und das ist keine Katastrophe, sondern gut und richtig so. Stagnation bedeutet Tod. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.

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